Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Käsesorten und die geräumigen Bierkrüge auf den Regalen vervollständigten ein Bild, das jeder Brite vor Augen hatte, wenn er in der Ferne darbte. So wie die Männer der Blockadegeschwader oder die auf den schnellen Fregatten wie der
Anemone,
die für Monate, ja vielleicht für Jahre, keinen Fuß an Land setzen konnten.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Allday fuhr herum und sah einen großen Mann mit gleichmütigen Augen in einer grünen Schürze, der hinter den Bierfässern stand und ihn beobachtete. Ohne Zweifel hielt auch er ihn für ein Mitglied der verhaßten Preßkommandos. Sie waren in den Gasthäusern kaum willkommen, denn dort, wo sie regelmäßig erschienen, würde die Kundschaft bald ausbleiben. Der Mann wirkte irgendwie bekannt, aber alles, was Allday fühlte, war Enttäuschung, ein Gefühl des Verlustes. Er war ein Dummkopf gewesen. Er hätte es wissen müssen. Vielleicht hatte selbst der verschlossene Ozzard versucht, ihm diesen Schmerz zu ersparen.
    »Wir haben gutes Ale aus Truro. Ich habe es selbst besorgt.« Der Mann kreuzte die Arme, und Allday sah die leuchtende Tätowierung: Gekreuzte Flaggen und die Nummer »31stes«. Der Schmerz fraß sich tiefer. Noch nicht mal ein Seemann!
    Fast zu sich selbst sagte er: »Das Einunddreißigste Infanterieregiment, die alten Huntingdonshires.«
    Der Mann starrte ihn an. »Komisch, daß Sie das wissen.«
    Er kam um die Fässer herum, Allday hörte das Poltern eines Holzbeins.
    Der Mann packte fest Alldays Hand, sein Gesicht hatte sich völlig verändert.
    »Ich bin ein Narr – ich hätte Sie gleich erkennen müssen! Sie sind John Allday, der meine Schwester vor diesen Bluthunden gerettet hat.«
    Allday studierte ihn.
Schwester
. Natürlich, er hätte es sehen müssen. Sie hatten dieselben Augen.
    Der Mann fuhr fort: »Ich heiße auch John. Früher war ich Schlachter bei den 31ern, bis ich das hier verloren habe.« Er klopfte auf das Holzbein.
    Allday sah, wie die Erinnerungen über sein Gesicht zogen. Wie bei Bryan Ferguson und den anderen armen Hunden, die er in allen Häfen gesehen hatte. Und dann waren da noch die anderen, die, in ihren Hängematten eingenäht, wie Abfall über die Kante gegangen waren.
    »Hier nebenan gibt es noch ein kleines Wohnhaus, also hat sie mir geschrieben und mich gefragt…« Er drehte sich um und meinte ruhig: »Und hier ist sie, Gott segne sie!«
    »Willkommen, John Allday.« Sie sah sehr proper und adrett in ihrem neuen Kleid aus, das Haar sorgfältig über den Ohren hochfrisiert.
    Er sagte ungeschickt: »Du siehst bildschön aus … äh, Unis.« Sie sah ihn immer noch an. »Ich habe mich für dich so herausgeputzt, als ich hörte, daß Sir Richard zurückgekommen ist. Ich hätte nie wieder ein Wort mit dir gesprochen, falls …«
    Dann rannte sie zu ihm hinüber und drückte ihn, bis er keine Luft mehr bekam, und das, obwohl sie ihm kaum bis zur Schulter reichte. Hinter ihr konnte er das kleine Wohnzimmer und das Modell der alten
Hyperion
sehen, das er ihr geschenkt hatte.
    Zwei weitere Reisende traten ein. Sie nahm Alldays Arm und führte ihn in das Wohnzimmer. Ihr Bruder, der andere John, grinste und schloß die Tür hinter ihnen.
    Sie schubste ihn fast in einen Sessel. »Ich will alles von dir hören, alles, was du erlebt hast. Ich habe guten Tabak für deine Pfeife – einer der Zollbeamten hat ihn mir gebracht. Ich konnte mich bremsen und habe nicht nachgefragt, wo
er
ihn herhatte.« Sie kniete sich hin und blickte ihn forschend an.
    »Ich habe mir so viele Sorgen um dich gemacht. Mit jedem Postschiff geht der Krieg hier an Land. Ich habe für dich gebetet…«
    Er war berührt, als er ihre Tränen sah, die auf ihre Brust tropften.
    »Als ich in die Schenke kam, dachte ich schon, daß du des Wartens müde geworden wärst.«
    Sie schniefte und trocknete ihre Tränen mit einem Taschentuch. »Und ich wollte so gut für dich aussehen!« Sie lächelte. »Du dachtest, mein Bruder wäre mehr als das, nicht wahr?«
    Dann fuhr sie in festem ruhigem Ton fort: »Ich habe Johns Seemannsberuf nie in Frage gestellt, und das werde ich auch bei dir nicht machen. Verspreche mir nur, daß du zu
mir
zurückkommst und zu keiner anderen.«
    Sie rannte schnell fort, bevor Allday antworten konnte, dann kam sie mit einer Deckelkanne Rum zurück, die sie Allday in die Hand drückte. Ihre Hände lagen wie kleine Pfoten auf den seinen.
    »Bleib nur ruhig sitzen und genieße deine Pfeife.« Sie trat einen Schritt zurück und stemmte die Hände in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher