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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace
Autoren: William Gibson
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Spielzeugstadt für Ratten; aus winzigen Fenstern leuchtete Kerzenschein, und nur an wenigen Plätzen brannten gleißende Batterie-und
    Karbidlampen. Ich stellte mir vor, wie die alten Männer bei ihrem endlosen Dominospiel saßen, beträufelt von den warmen, dicken Wassertropfen, die von der Wäsche fielen, die an Stangen zwischen den Sperrholzhütten aufgehängt war. Dann versuchte ich mir vorzustellen, wie er in seinen Plastikbadeschuhen und dem häßlichen Touristenhemd langsam, aber sicher heraufstieg.
    Wie fand er unsre Spur?
    »Gut«, sagte Molly. »Er riecht uns.«
    »Rauchen?« Dog zog ein zerknüllte Päckchen aus der Tasche und fischte eine plattgedrückte Zigarette heraus. Während er mir mit einem Zündholzschächtelchen Feuer gab, konnte ich den Namen der Marke lesen. Yiheyuan Filter. Beijing Cigarette Factory. Ich folgerte, daß die Lo Teks Schwarzhändler waren. Dog und Molly diskutierten wieder; offenbar drehte es sich um Mollys Wunsch, eine gewisse Einrichtung der Lo Teks benutzen zu dürfen.
    »Ich hab dir schon viele Gefallen getan, Mann. Ich will das Parkett. Und die Musik.«
    »Du bist kein Lo Tek ...«
    So ging das fast einen Kilometer, während Dog uns über schwankende Laufplanken und
    Strickleitern führte. Die Lo Teks kleben ihre Netze und verwinkelten Behausungen mit dicken Expoxidbatzen an die Struktur der Stadt und schlafen in Hängematten über dem Abgrund. Ihr Lebensraum ist dermaßen reduziert, daß stellenweise nicht viel mehr als in geodätische Pfeiler gehauene Griff-und Trittmulden für Hände und Füße vorzufinden sind.
    Vom Killerparkett redete Molly. Als ich in meinen neuen Eddie Bax-Schuhen hinter ihr hereilte und auf blankem Metall und feuchtem Holz ausglitt, fragte ich mich, was am Killerparkett
    tödlicher als im Rest ihres Territoriums sein könnte. Zugleich spürte ich, daß Dogs Einwände zum Ritual gehörten und sie längst damit rechnete, zu kriegen, was sie wollte.
    Irgendwo unter uns kreiste Jones in seinem Becken und bekam das erste flaue Gefühl nach dem abklingenden Junk. Die Polizei nervte die Stammkunden des Drome mit Fragen über Ralfi. Was machte er? Mit wem war er zusammen unmittelbar vor Verlassen des Lokals? Und der Yakuza
    spukte durch die Datenbanken der Stadt und jagte in Nummernkonten, Sicherheitentransaktionen und Stromrechnungen Spuren von mir nach. Wir sind eine Datenwirtschaft. Das lernt man schon in der Schule. Was man nicht lernt, ist, daß man, wenn man lebt, sich bewegt und aktiv ist, immer und überall Spuren hinterläßt, Bruchstücke, scheinbar bedeutungslose persönliche
    Datensplitter. Splitter, die wiederauffindbar und konkretisierbar sind ...
    Aber mittlerweile hätte der Pirat unsre aufbereitete Nachricht im Kasten zur Übertragung auf den Kommsat des Yakuza. Eine simple Nachricht: Pfeift eure Hunde zurück, oder wir machen euer Programm publik.
    Das Programm. Ich hatte keine Ahnung, was es enthielt. Weiß es jetzt noch nicht. Ich leiere das Ding ohne jedes Verständnis runter. Es waren vermutlich Forschungsdaten, da der Yakuza
    forgeschrittenen Techniken der Industriespionage verfallen ist. Ein edles Geschäft, wenn man Ono-Sendai beklaut und die Daten bis zur Zahlung eines Lösegelds unter Verschluß hält, indem man androht, die Daten bekannt zu machen, um damit der Forschung des Konglomerats den Biß zu nehmen.
    Aber warum lief diese Nummer nicht? Wären sie nicht besser dran, wenn sie Ono-Sendai was
    zurückverkaufen könnten, besser dran als mit irgend'nem toten Johnny von der Memory Lane?
    Ihr Programm war unterwegs zu einer Adresse in Sydney, einem Laden, der die Post seiner
    Kunden aufbewahrte, ohne Fragen zu stellen, sobald man eine kleine Anzahlung leistete.
    Viertklassige Post. Ich hatte die andere Kopie größtenteils gelöscht und in die entstandene Lücke unsre Nachricht gesetzt, wobei ich vom Programm gerade so viel übrigließ, daß es als solches zu identifizieren war.
    Mein Handgelenk tat weh. Ich wollte anhalten, mich hinlegen und schlafen. Ich wußte, daß ich bald den Halt verlieren und abstürzen würde, wußte, daß die flotten schwarzen Schuhe, die ich mir für meinen Abend als Eddie Bax gekauft hatte, abgleiten und mich hinunter in die Nighttown befördern würden. Aber da drängte er sich mir auf wie ein billiges religiöses Hologramm; der vergrößerte Chip auf seiner Hawaihemdbrust erinnerte an ein Aufklärungsfoto irgendeines
    todgeweihten Stadtkerns.
    So folgte ich also Dog und Molly durch den Lo
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