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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace
Autoren: William Gibson
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Flutlicht schillerte die lichtbrechende Faser regenbogengleich. Molly warf sich flach hin, rollte und schnellte empor, als der Molekülstrang vorbeipeitschte, und riß in einer wohl automatischen Abwehrgeste die im Licht blitzenden Stahlklauen hoch.
    Der Trommelrhythmus wurde schneller, und die hüpfende Molly hielt den Takt; ihre dunkle
    Mähne flog wild um die verspiegelten Gläser, der Mund war schmal, die Lippen vor
    Konzentration verkniffen. Das Killerparkett schaukelte und dröhnte, und die Lo Teks kreischten vor Aufregung.
    Er zog die Faser ein bis auf eine Länge von einem Meter, die er als gespenstisch polychrome Scheibe vor sich kreisen ließ, wobei er die daumenlose Hand in Höhe des Brustbeins hielt. Ein Schild.
    Und Molly schien etwas fallen zu lassen innerlich, und damit fing ihr Veitstanz erst richtig an.
    Sie hüpfte und drehte sich, schnellte zur Seite und landete mit beiden Füßen auf einem
    verchromten Motorblock, der direkt mit einer der Spiralfedern verdrahtet war. Ich hielt mir die Ohren zu und ging in die Knie, so schwindelig wurde mir vom Lärm, der mich glauben machte, Parkett und Tribüne stürzten nach unten in die Nighttown, so daß ich uns schon durch die Hütten, die nasse Wäsche brechen und am Pflaster aufschlagen und wie reife Früchte platzen sah. Aber die Drahtseile hielten, und das Killerparkett hob und senkte sich wie ein tobendes Metallmeer.
    Und Molly tanzte darauf.
    Und unmittelbar vor seinem letzten Wurf mit der Faser sah ich zuletzt etwas in seinem Gesicht, einen Ausdruck, der wohl nicht hingehörte. Es war weder Furcht noch Zorn. Ich glaube, es war ungläubiges Staunen, verdutztes Unverständnis, gekoppelt mit der Abscheu eines Ästheten vor dem, was er sah, hörte - vor dem, was ihm geschah. Er zog die wirbelnde Faser zurück, so daß die gespenstische Scheibe auf Tellergröße schrumpfte, machte eine peitschende Bewegung über dem Kopf und riß die Hand nach unten, so daß die Daumenspitze wie etwas Lebendiges auf
    Molly zuschoß.
    Das Parkett riß sie nach unten, so daß der Molekülstrang knapp über ihren Kopf hinwegzuckte.
    Schon schnellte das Parkett zurück und hob ihn in die Bahn der gestrafften Faser. Sie wäre normalerweise harmlos über seinem Kopf hinweg-und ins diamantharte Gehäuse
    zurückgeglitten. Nun schnitt sie ihm unmittelbar hinter dem Gelenk die Hand ab. Vor ihm tat sich eine Lücke im Parkett auf, durch die er segelte wie ein Taucher mit seltsam betonter Anmut, ein besiegter Kamikaze beim Sturz in die Nighttown. Zum Teil, wie ich glaube, nutzte er diesen Sturz, um sich ein paar Momente würdiger Stille zu erkaufen. Molly hatte ihn mit Kulturschock umgebracht.
    Die Lo Teks grölten, aber da stellte jemand die Verstärker ab, und Molly ließ das Killerparkett ausschwingen und harrte mit blassem, leerem Gesicht aus, bis das Wippen aufhörte und nur noch ein leises Klirren vom vergewaltigten Metall und das Knirschen von Rost auf Rost zu hören war.
    Wir suchten das Parkett nach der abgehackten Hand ab, fanden sie aber nicht. Wir fanden
    lediglich einen geschwungenen Einschnitt in einem rostigen Stahlteil, wo der Molekülstrang ausgetreten war. Die Schnittkante glänzte wie poliertes Chrom.
    Wir haben nie erfahren, ob der Yakuza unsre Bedingungen akzeptierte oder unsre Nachricht
    überhaupt erhielt. So weit ich weiß, wartet ihr Programm immer noch in einem Regal im
    Hinterzirnmer eines Souvenirladens im dritten Stock, Sydney Central-5, auf Eddie Bax.
    Vermutlich haben sie das Original vor Monaten an Ono-Sendai zurückverkauft. Vielleicht haben sie aber auch die Nachricht des Piraten erhalten, denn noch hat keiner nach mir gesucht, obwohl schon ein Jahr vergangen ist. Wenn sie noch kommen sollten, so haben sie jedenfalls einen langen Aufstieg durch die Dunkelheit vorbei an Dogs Wachen vor sich; außerdem habe ich
    neuerdings nicht mehr viel Ähnlichkeit mit Eddie Bax. Dafür ließ ich - unter örtlicher Betäubung
    - Molly sorgen. Und meine neuen Zähne sind schon beinahe festgewachsen.
    Ich habe beschlossen, hier oben zu bleiben. Als ich unmittelbar vor seiner Ankunft über das Killerparkett schaute, sah ich, wie hohl mein Leben war. Und ich wußte, daß ich nicht länger Gefäß sein wollte. Jetzt steige ich fast allabendlich hinunter und besuche Jones.
    Wir sind jetzt Partner, Jones und ich. Und Molly Millions auch. Molly erledigt unsre Geschäfte im Drome. Jones ist nach wie vor im Funland, aber hat nun ein größeres Becken, das wöchentlich mit
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