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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace
Autoren: William Gibson
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mich damit, wie sehr er sie liebe. Ich arbeitete noch härter, um dem zu
    entkommen.
    Das meiste war Telefonieren. Meine fünfzehn verschlüsselten Ersttelefonate schienen jeweils fünfzehn weitere auszulösen. Ich suchte nach einem bestimmten Service, den wir uns im
    heimlichen Weltwirtschaftsverbund als unerläßlich vorstellten, der aber vermutlich nie mehr als fünf Kunden gleichzeitig hatte. Ein Service, der keine Reklame machte.
    Wir suchten der Welt dicksten Hehler, eine unabhängige Geldwaschanlage, die einen
    millionenschweren Online-Geldtransfer säubern und anschließend aus dem Gedächtnis tilgen
    könnte.
    Die vielen Anrufe waren schließlich vergeblich, denn es war der Finne, der den entscheidenden Tip lieferte. Ich war nach New York gekommen, um eine neue Blackbox zu kaufen, denn die
    vielen Telefonate machten uns bankrott.
    Ich präsentierte ihm das Problem so hypothetisch wie möglich.
    »Macao«, sagte er.
    »Macao?«
    »Familie Long Hum. Börsenmakler.«
    Er hatte sogar die Nummer parat. Frag 'nen Hehler, wenn du 'nen Hehler brauchst.
    Die Long Hums waren so heimlichtuerisch, da sah das, was ich als behutsamsten
    Annäherungsversuch betrachtete, wie ein taktischer Atomangriff aus. Bobby mußte zwei Mal
    nach Hongkong Jetten, um das Geschäft klarzumachen. Uns ging das Geld aus, und zwar schnell.
    Ich weiß immer noch nicht, warum ich von Anfang an überhaupt mitgezogen habe; ich hatte
    gewaltigen Respekt vor Chrom und war nie besonders scharf darauf, reich zu werden.
    Ich wollte mir einreden, es sei eine gute Idee, das Haus der blauen Lichter niederzubrennen, da es ein mieser Schuppen war, aber das kaufte ich mir nicht ab. Ich mochte die Blauen Lichter nicht, denn ich hatte mal einen ungemein deprimierenden Abend dort verbracht, was allerdings keine Rechtfertigung dafür war, Chrom fertigzumachen. Eigentlich rechnete ich mehr oder weniger damit, daß wir bei unserm Versuch draufgehen würden. Selbst mit dem Killervirus standen die Chancen schlecht.
    Bobby war vertieft in die Befehle, die wir ins tote Herz von Chroms Computer jagen wollten.
    Das sollte meine Aufgabe sein, denn Bobby hätte alle Hände voll damit zu tun, das russische Killer-Programm zu bremsen. Der Kern war so komplex, daß wir ihn nicht umschreiben könnten, also würde er versuchen, den Russen die zwei Sekunden, die ich brauchte, aufzuhalten.
    Ich machte 'nen Deal mit einem Brutalo namens Miles. Er sollte Rikki in der Brandnacht folgen, sie im Auge behalten und mich zu einer bestimmten Zeit anrufen. Falls ich nicht ranginge oder nicht in einer ganz bestimmten Weise antwortete, sollte er sie packen und in die erste U-Bahn raus setzen. Ich gab ihm ein Kuvert, das er ihr aushändigen sollte, Kuvert mit Knete und'n paar Zeilen.
    Bobby hatte sich nicht groß Gedanken gemacht, wie's für sie weitergehen sollte, wenn wir die Sache vermasselten. Er quatschte mich ständig nur voll, daß er sie liebe, wohin sie zusammen gehen und wie sie das Geld ausgeben wollten.
    »Kauf ihr als erstes Ikons, Mann. Die will sie unbedingt. Mit dem Simstim ist es ihr ernst.«
    »Heh«, sagte er und schaute von den Keys auf, »sie braucht dann nicht mehr zu arbeiten, Jack.
    Wir schaffen es schon, Jack. Sie bringt mir Glück. Sie wird nie mehr malochen müssen.«
    »Bringt dir Glück«, sagte ich. Ich war nicht glücklich. Wußte nicht mal mehr, wann ich zuletzt glücklich war. »Und haste die letzte Zeit viel gemerkt von deinem Glück?«
    Hatte er nicht. Und ich auch nicht. Hatten bei dem Streß gar keine Zeit dazu gehabt.
    Sie fehlte mir. Daß sie mir fehlte, erinnerte mich an meinen einzigen Abend im Haus der blauen Lichter, denn da war ich auch hingegangen, weil mir jemand fehlte. Zunächst soff ich mir einen an, dann schnüffelte ich Vasopressin. Wenn du gerade mir nichts dir nichts von deiner Hauptfrau verlassen worden bist, dann sind Schnaps und Vasopressin das Geilste, was die Pharmakologie an Masochismus hervorgebracht hat. Der Sprit macht dich sentimental, das Vasopressin hilft deinem Gedächtnis auf die Sprünge, und zwar total. Medizinisch wird der Stoff gegen senile Amnesie eingesetzt, aber die Straße findet für alles eigene Verwendungen. So kaufte ich mir also eine superintensive Wiederholung einer herben Enttäuschung; die Kacke ist, mit dem Guten
    kriegste auch das Schlechte. Flipp dich ein, klink dich ein in die tierische Ekstase, und du kriegst obendrein, was du gesagt hast, was sie erwidert hat und wie sie davongestiegen ist, ohne sich
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