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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon
Autoren: Neal Stephenson
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her.
    »Ein Wald, wie Kafka ihn sich ausdenken würde«, murmelte Rudi.
    Mittlerweile war Lawrence dahinter gekommen, dass sie sich in der Tat bereits in den Pine Barrens befanden. Wer Kafka war, wusste er allerdings nicht. »Ein Mathematiker?«, riet er.
    »Das ist ein beängstigender Gedanke«, sagte Rudi.
    »Das ist ein Schriftsteller«, sagte Alan. »Nimm es mir bitte nicht übel, dass ich dich das frage, Lawrence, aber erkennst du eigentlich überhaupt Namen von anderen Leuten? Von anderen als Verwandten und engen Freunden, meine ich.«
    Lawrence machte wohl ein ziemlich verdutztes Gesicht. »Ich versuche, herauszufinden, ob das alles von da drin kommt«, sagte Alan, streckte die Hand aus und klopfte Lawrence mit den Knöcheln seitlich gegen den Kopf, »oder ob du manchmal auch neue Ideen von anderen Menschen aufnimmst.«
    »Als kleiner Junge habe ich in einer Kirche in Virginia Engel gesehen«, sagte Lawrence, »aber ich glaube, die kamen aus meinem Kopf.«
    »Na schön«, sagte Alan.
    Aber später versuchte Alan es erneut. Sie hatten den Feuerausguck erreicht und er hatte sich als gewaltige Enttäuschung erwiesen: bloß eine gesichtslose Treppe, die nirgendwohin führte, und darunter ein kleines, gerodetes Areal, das von Flaschenscherben glitzerte. Sie schlugen ihr Zelt an einem Teich auf, der, wie sich herausstellte, voller rostfarbener Algen war, die sich in ihren Körperhaaren verfingen. Man konnte nichts tun als Schnaps trinken und über Mathematik reden.
    Alan sagte: »Pass auf, es ist so: Bertrand Russell und ein anderer Knabe namens Whitehead haben die Principia Mathematica geschrieben …«
    »Jetzt nimmst du mich aber auf den Arm«, sagte Waterhouse. »Sogar ich weiß, dass das Sir Isaac Newton geschrieben hat.«
    »Newton hat ein anderes Buch geschrieben, das auch Principia Mathematica heißt, aber eigentlich gar nicht von Mathematik handelt, sondern von dem, was wir heute Physik nennen.«
    »Warum hat er es dann Principia Mathematica genannt?«
    »Weil der Unterschied zwischen Mathematik und Physik zu Newtons Zeit nicht besonders klar war -«
    »Vielleicht ist er das bis heute nicht«, sagte Rudi.
    »- was unmittelbar mit dem zu tun hat, wovon ich hier rede«, fuhr Alan fort. »Ich rede von Russells P. M., worin er und Whitehead ganz von vorn anfangen, buchstäblich mit nichts , und alles – die ganze Mathematik – auf einer kleinen Zahl von Grundprinzipien aufbauen. Und der Grund, warum ich dir das erzähle, Lawrence, ist – Lawrence! Pass gefälligst auf!«
    »Hmmm?«
    »Rudi – nimm den Stock da – ja, genau – und behalte Lawrence fest im Auge, und wenn er wieder diesen weggetretenen Gesichtsausdruck kriegt, stößt du ihn damit an!«
    »Das ist hier keine englische Schule, so etwas kannst du nicht machen.«
    »Ich höre zu«, sagte Lawrence.
    »Aus P. M., einem schrecklich radikalen Werk, ergab sich, dass man sagen konnte, die ganze Mathematik lasse sich im Grunde als eine bestimmte Anordnung von Symbolen ausdrücken.«
    »Das hat Leibniz schon lange vorher gesagt!« protestierte Rudi.
    »Äh, Leibniz hat das Zeichensystem erfunden, das wir für die Infinitesimalrechnung verwenden, aber -«
    »Davon rede ich nicht!«
    »Und er hat Matrizen erfunden, aber -«
    »Davon rede ich auch nicht!«
    »Und er hat einiges mit binärer Arithmetik gemacht, aber -«
    »Das ist etwas ganz anderes!«
    »Ja wovon redest du dann eigentlich, Rudi?«
    »Leibniz hat das Grundalphabet erfunden – hat eine Reihe von Symbolen niedergeschrieben, mit denen sich logische Aussagen ausdrücken lassen.«
    »Also, mir war nicht klar, dass Herr Leibniz auch die formale Logik zu seinen Interessen zählte, aber -«
    »Natürlich! Er wollte genau das tun, was Russell und Whitehead getan haben, allerdings nicht nur mit der Mathematik, sondern mit allem, was es gibt!«
    »Dürfen wir dann aufgrund der Tatsache, dass du der einzige Mensch auf dem Planeten bist, der über diese Unternehmung von Leibniz Bescheid weiß, annehmen, dass er gescheitert ist?«
    »Du kannst meinetwegen annehmen, wozu du Lust hast, Alan«, antwortete Rudi, »aber ich bin Mathematiker und nehme überhaupt nichts an.«
    Alan seufzte gekränkt und warf Rudi einen angelegentlichen Blick zu, den Waterhouse dahingehend interpretierte, dass es später Ärger geben würde. »Wenn ich jetzt vielleicht weitermachen dürfte«, sagte er, »ich versuche doch nur, euch davon zu überzeugen, dass die Mathematik sich als eine Reihe von Symbolen ausdrücken lässt«
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