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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon
Autoren: Neal Stephenson
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(er schnappte sich den Piekstock und begann Dinge wie + = 3) √-1π in den Staub zu zeichnen), »und es ist mir offen gestanden völlig egal, ob das Leibniz’ oder Russells Symbole oder die Hexagramme des I Ging sind ….«
    »Leibniz war fasziniert vom I Ging!«, begann Rudi.
    »Jetzt halt mal einen Moment die Klappe von Leibniz, Rudi, und pass auf: Du – Rudi – und ich, wir befinden uns sozusagen in einem Zug, sitzen im Speisewagen und unterhalten uns nett, und dieser Zug wird mit einem Affenzahn von bestimmten Lokomotiven mit Namen Bertrand Russell, Euler, Riemann und anderen gezogen. Und unser Freund Lawrence rennt neben dem Zug her und versucht, mit uns Schritt zu halten – nicht, dass wir unbedingt schlauer wären als er, aber er ist gewissermaßen ein Bauer, der keinen Fahrschein bekommen hat. Und ich, Rudi, greife nun einfach zum offenen Fenster hinaus und versuche, ihn zu uns in den Scheißzug zu ziehen, damit wir drei uns schön über Mathematik unterhalten können, ohne uns die ganze Zeit sein Keuchen und Nach-Luft-Schnappen anhören zu müssen.«
    »Na schön, Alan.«
    »Geht ganz schnell, du musst nur aufhören, mich ständig zu unterbrechen.«
    »Aber es gibt auch eine Lokomotive namens Leibniz.«
    »Ach so, du meinst, ich würdige die Deutschen nicht genügend? Dabei wollte ich gerade jemanden mit einem Umlaut erwähnen.«
    »Ach, doch nicht etwa Herrn Türing?«, sagte Rudi verschmitzt.
    »Herr Türing kommt später. Ich habe eigentlich an Gödel gedacht.«
    »Aber das ist kein Deutscher! Der ist Österreicher!«
    »Mittlerweile ist das leider alles eins, oder?«
    »Der Anschluss war nicht meine Idee, du brauchst mich gar nicht so anzuschauen, ich finde Hitler entsetzlich.«
    »Von Gödel habe ich schon gehört«, warf Waterhouse hilfsbereit ein. »Aber könnten wir eben noch mal zurückgehen?«
    »Natürlich, Lawrence.«
    »Wozu das Ganze? Warum hat Russell das gemacht? Hat irgendwas mit der Mathematik nicht gestimmt? Ich meine, zwei plus zwei ist gleich vier, oder nicht?«
    Alan hob zwei Kronenkorken auf und legte sie auf den Boden. »Zwei. Eins, zwei. Plus« – er legte zwei weitere daneben – »noch mal zwei. Eins, zwei. Ist gleich vier. Eins, zwei, drei, vier.«
    »Was ist daran auszusetzen?« fragte Lawrence.
    »Aber Lawrence – wenn du wirklich, d. h. auf abstrakte Weise, Mathematik betreibst, zählst du doch keine Kronenkorken, oder?«
    »Ich zähle überhaupt nichts.«
    »Da vertrittst du aber eine sehr moderne Position«, eröffnete ihm Rudi.
    »So?«
    Alan sagte: »Lange Zeit herrschte die implizite Überzeugung, die Mathematik wäre so etwas wie eine Physik der Kronenkorken. Und jede noch so komplizierte mathematische Operation, die man auf Papier durchführen kann, ließe sich – zumindest theoretisch – auf ein Herumhantieren mit konkreten physischen Zählern, wie beispielsweise Kronenkorken, in der wirklichen Welt zurückführen.«
    »Aber zwei Komma eins Kronenkorken gibt es nicht.«
    »Gut, gut, verwenden wir also Kronenkorken als ganze Zahlen, und als reale Zahlen wie zwei Komma eins verwenden wir physikalische Maße wie zum Beispiel die Länge dieses Stocks.«
    »Aber was ist dann mit pi? Es gibt keinen Stock, der genau pi Zentimeter lang ist.«
    »Pi stammt aus der Geometrie – die gleiche Geschichte«, warf Rudi ein.
    »Ja, man war der Überzeugung, dass die Euklidische Geometrie im Grunde eine Art Physik ist und dass ihre Geraden und so weiter Eigenschaften der physischen Welt darstellten. Aber – kennst du Einstein?«
    »Ich kann mir Namen nicht besonders gut merken.«
    »Dieser weißhaarige Knabe mit dem großen Schnurrbart.«
    »Ach so, ja«, sagte Lawrence, sich undeutlich erinnernd, »ich wollte ihm meine Zahnrad-Frage stellen. Er hat behauptet, er hätte eine Verabredung oder so was und wäre schon spät dran.«
    »Der Bursche hat eine allgemeine Relativitätstheorie entwickelt, die so etwas wie eine praktische Anwendung nicht von Euklids, sondern von Riemanns Geometrie darstellt -«
    »Der Riemann mit deiner Zeta-Funktion?«
    »Derselbe Riemann, aber ein anderes Thema. Wir wollen uns jetzt nicht verzetteln, Lawrence -«
    »Riemann hat gezeigt, dass es viele, viele verschiedene Geometrien geben kann, die nichts mit der Euklidischen Geometrie zu tun haben, in sich aber trotzdem sinnvoll sind«, erklärte Rudi.
    »Na schön, also zurück zu P. M.«, sagte Lawrence.
    »Ja. Russell und Whitehead. Es ist so: Als die Mathematiker anfingen, mit Sachen wie der
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