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Crossfire 2: Feuerprobe

Crossfire 2: Feuerprobe

Titel: Crossfire 2: Feuerprobe
Autoren: Nancy Kress
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gesehen hätte. Siddalee hatte nicht vor, dorthin
zurückzukehren.
    Wo sollte sie Alex also noch suchen? Sie kaute auf ihrer
Unterlippe herum und spähte durch den Park. Während sie
sich umsah, zog sie die Unterlippe weiter zwischen die Zähne,
und noch weiter, bis Siddalee schließlich an der Innenseite des
fest geschlossenen Mundes herumkaute.
    Nach Siddalees Empfinden war die Feier längst schon
außer Kontrolle geraten. So ziemlich jeder Tisch in Mira City
war für den 50. Jahrestag der ersten Landung auf Greentrees nach
draußen in den Park geschafft worden. Überall standen
Krüge mit Blue Lion, einem neuen alkoholischen Getränk, das
diese Typen von der Chu Corporation brauten. Das fand Siddalee schon
schlimm genug – ihrer Meinung nach sollte ein 50. Jahrestag
würdevoll begangen werden. Aber inzwischen konnte man nicht
einmal mehr die Tische sehen!
    Die Leute standen darauf oder saßen drum herum und lagen
vermutlich auch darunter. Ein Gewimmel von Menschen, von denen
zumindest die Hälfte betrunken sein musste. Die hübschen
Beete mit genetisch angepassten Blumen waren inzwischen allesamt
niedergetrampelt. Chinesische Jugendliche entzündeten diese
grauenhaften »Kracher«, und eine gemischte Gruppe aus
Arabern und Cutlers stimmte laut dieses peinliche Liedchen an, das
Siddalee inzwischen überall hörte:
     
»Auf Greentrees sind wir sicherlich,
Doch ist es sicher? Ich weiß es nicht!
Wie könnte ich auch sicher sein?
Ich denk doch nur an dich alleiiin!«
     
    Siddalee verstand einfach nicht, wie man derart in Dummheit und
Belanglosigkeiten schwelgen konnte. Als gäbe es über
Greentrees nicht so viel mehr zu sagen! Die Melodie war hübsch
– was für eine Verschwendung!
    Dann erblickte sie unter den Arabern und Cutlers zu allem
Überfluss auch noch drei Jugendliche, die sie eindeutig als Neue
Quäker identifizierte. Quäker – und sie ließen
sich derart gehen? Ihre Eltern wussten gewiss nichts davon.
    Wenigstens trugen die Quäker einfache graue Overalls; das war
mehr, als man von einigen der anderen jungen Leute sagen konnte. Die
Mode auf Greentrees bot im Großen und Ganzen zwei
Möglichkeiten: Overalls, geschnitten nach dem Vorbild der ersten
Siedler (einige waren tatsächlich diejenigen, welche die
ersten Siedler getragen hatten, denn Threadmore war nahezu
unverwüstlich), oder die »Stolen«, die sich hier auf
Greentrees entwickelt hatten und großer Beliebtheit erfreuten.
Das waren Tücher aus Holcum-Fasern, in verschiedene Formen
geschnitten, die sich der Träger in jeder gewünschten Weise
um den Körper binden konnte, von üppig bis hin zu
spärlich. In den kühlen Nächten trug man unter den
Stolen Thermowäsche, die alles außer den Händen und
dem Kopf bedeckte. Tagsüber war es auf Greentrees zumeist so
warm, dass viele Leute die Stolen am bloßen Leib trugen. Diese
Mode war sowohl billig als auch begleitet von einem lebhaften
Wettbewerb: Die kreativsten Zusammenstellungen erhielten viel Lob,
wenn auch nicht von Siddalee.
    Am anderen Ende des Parks, vor dem großen
Verwaltungsgebäude, das jeder »das Mausoleum« nannte,
hatte man eine provisorische Tribüne für die Redner
aufgebaut. Siddalee sah, wie Jake Holmans Rollstuhl die Rampe
emporgeschoben wurde, von einem kräftigen Araber, der ebenfalls
eine dieser albernen fließenden Roben trug. Wenn jemand wusste,
wo sich Alex befand, dann Mr Holman.
    »He!«, rief ein Mädchen, als sich Siddalee an ihr
vorbeidrängte. Das Mädchen hielt einen Becher Blue Lion in
der Hand, und Siddalee hatte sie versehentlich angerempelt. Die
hellblaue Flüssigkeit lief schäumend am Overall des
Mädchens hinab. »Pass doch auf, du Haufen
Pelzlingsscheiße!«
    Das war die schlimmste Beleidigung auf Greentrees. Siddalee machte
abrupt Halt und starrte das Mädchen an. Sie kannte es: Star Chu!
Gemeinsam hatten sie am Staudamm-Projekt gearbeitet. Star trug ihr
glänzend glattes, schwarzes Haar kurz geschnitten. Auf der
linken Wange hatte sie eine dieser dämlichen nachgemachten
Cheyenne-Tätowierungen, einige kleine Sterne, die weder echt
Cheyenne noch echte Tätowierungen waren. Sie hatte sie mit dem
neuen roten Lippenstift aufgetragen, den die Chu Corporation erst
kürzlich zusammen mit dem alkoholischen Getränk auf den
Markt geworfen hatte. Aber Star war kein schlechter Mensch. Sie
erkannte Siddalee und errötete.
    »Entschuldige, Siddalee. Du hast mich erschreckt.«
    »Hast du Alex Cutler gesehen?«
    Ein merkwürdiger Ausdruck blitzte in Stars Augen auf,
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