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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard
Autoren: Stonehenge
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nackt war und fror, nicht, weil er noch nie zuvor Gold berührt
hatte — sondern weil er noch nie ein Stückchen der allmächtigen Sonne in der
Hand gehalten hatte. »Wir müssen es zu Vater bringen«, sagte er ehrfürchtig.
    »Damit der alte Idiot seinen Schatz damit aufstocken
kann?«, meinte Lengar verächtlich. Er ging zu dem Toten zurück und schlug den
Umhang über den Pfeilschäften zurück — um zu entdecken, dass die Beinlinge des
Fremden an einem Gürtel befestigt waren, dessen Schnalle aus einem dicken
Klumpen schweren Goldes bestand, während er noch mehr von den kleinen Rauten an
einer Sehne um den Hals trug.
    Lengar warf einen verstohlenen Blick auf seinen jüngeren
Bruder, leckte sich über die Lippen; dann hob er einen der Pfeile auf, die dem
Fremden aus der Hand geglitten waren. Er hielt immer noch seinen Langbogen
griffbereit und spannte jetzt den schwarz und weiß befiederten Pfeil in die
Sehne ein. Einen Moment starrte er in das Dickicht der Haselnusssträucher, wich
ganz bewusst dem Blick seines Halbbruders aus ... doch Saban begriff jäh, was
Lengar im Sinn hatte. Wenn Saban entwischte, um ihrem Vater von diesem Schatz
zu erzählen, dann würde Lengar das kostbare Gold verlieren oder würde zumindest
erbittert darum kämpfen müssen; aber wenn Saban tot aufgefunden werden würde,
mit dem schwarz und weiß befiederten Pfeil eines fremdländischen Bogenschützen
zwischen den Rippen, dann würde niemand argwöhnen, dass Lengar ihn getötet
hatte — es würde auch niemand auf die Idee kommen, dass Lengar einen großen Schatz
für seine eigenen Zwecke gestohlen hatte. Das Donnergrollen im Westen wurde
deutlich lauter, und der kalte Wind drückte die Wipfel der Bäume flach. Lengar
zog die Bogensehne zurück, obwohl er noch immer nicht zu Saban hinschaute.
»Sieh dir das hier an!«, schrie Saban auf einmal und hielt die kleine Raute
hoch. »Sieh doch nur!«
    Lengar lockerte den Druck der Bogensehne ein wenig, als
er auf die Raute starrte, und in dem Moment flitzte der Junge davon wie ein
Hase, der plötzlich aus dem Gras schießt. Er stürmte durch die Haselnusssträucher
und floh quer über den breiten Weg, der zu dem Sonneneingang des Alten Tempels
führte. Dort ragten noch mehr verfaulte Holzpfeiler aus dem Boden, genau wie
derjenige beim Totenhaus. Er schlug einen Zickzackkurs ein, um den morschen
Stümpfen auszuweichen, und gerade als er sich einen Weg zwischen ihnen
hindurchbahnte, sirrte Lengars Pfeil dicht an seinem Ohr vorbei.
    Ein ohrenbetäubendes Krachen zerriss den Himmel in Fetzen,
als der erste Regen herniedertrommelte. Ein greller Blitzstrahl traf den
gegenüberliegenden Hang. Saban hetzte weiter, während er sich zwischen den Pfeilern
hindurchwand, und er wagte es nicht, sich umzuschauen, ob Lengar ihn
verfolgte. Der Regen prasselte stärker und immer stärker vom Himmel, erfüllte
die Luft mit seinem bösartigen Tosen, bildete jedoch eine Art schützenden
Schirm um den Jungen, als dieser in nordöstlicher Richtung auf die Siedlung
zurannte. Er schrie gellend um Hilfe, in der Hoffnung, dass vielleicht noch
einer der Hirten auf dem Weidegrund wäre; aber er entdeckte niemanden, bis er
die Grabhügel am Rand des Hügels hinter sich gelassen hatte und den schlammigen
Pfad zwischen den kleinen Weizenfeldern entlangstürmte, die von dem
peitschenden Regen arg in Mitleidenschaft gezogen wurden.
    Galeth, Sabans Onkel, und fünf andere Männer waren gerade
in die Siedlung zurückgekehrt, als sie die Schreie des Jungen vernahmen. Sie
marschierten wieder den Hügel hinauf, und da jagte Saban durch den strömenden
Regen herbei, um Hilfe suchend nach dem Hirschledergewand seines Onkels zu
greifen. »Was hast du denn, Junge?«, fragte Galeth überrascht.
    Saban klammerte sich wie ein Ertrinkender an seinen Onkel.
»Er hat versucht, mich zu töten!«, keuchte er. »Er hat versucht, mich zu
töten!«
    »Wer?«, drang Galeth in ihn. Er war der jüngste Bruder
von Sabans Vater, groß, bärtig und berühmt für seine Kraftakte. Galeth, so
hieß es, hatte einst einen ganzen Tempelstützpfeiler hochgestemmt, und nicht
etwa einen der kleinen, sondern einen mächtigen Baumstamm, der hoch über den
anderen Pfosten aufragte. Wie seine Gefährten, so trug auch Galeth eine Axt
mit einer schweren Bronzeklinge, denn sie hatten soeben Bäume gefällt. »Wer hat
dich zu töten versucht?«, beharrte er.
    »Er!«, schrie Saban und zeigte den Hügel hinauf, wo Lengar
erschienen war, seinen Langbogen hochgereckt,
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