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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo
Autoren: corley
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Sergeant. Wir können nicht den ganzen Tag auf Ihre Antwort warten.«
    »Es … Es tut mir Leid. Könnten Sie die Frage wiederholen?«
    »Was?« Seine Stimme hallte in ihrem Kopf wider, lauter als die Klimaanlage.

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    »Ich sagte«, sie schluckte trocken, ihr Mund wie ausgedörrt, »könnten Sie die Frage bitte wiederholen?«
    Sie legte die Finger an die Wange, überrascht, wie heiß sie sich anfühlte. Es beunruhigte sie, und sie legte ihre freie Hand auf das heiße Holz des Zeugenstandes. Schwarze Punkte erschienen vor ihren Augen.
    » … gesagt, dass Sie … was schwer zu glauben ist, wenn man bedenkt …« Seine Stimme wurde immer wieder lauter und leiser. Sie blinzelte erneut und versuchte sich zu konzentrieren, aber die schwarzen Punkte wurden größer. Irgendwo sprach der Richter.
    »… den Eindruck, Sergeant Nightingale fühlt sich ein wenig matt.«
    »Nein, mir geht’s gut«, sagte sie und kippte prompt nach vorn, um von zwei Händen aufgefangen zu werden.
    Als das Blut ihr in den Kopf strömte, wurde ihre Sicht klar, und sie konnte wieder hören. Sie trank das Wasser, das ihr gereicht wurde, und stand langsam auf, stützte sich schwer auf den Zeugenstand.
    »Ist alles in Ordnung, Sergeant?«
    »Ja, das kommt bloß von der Hitze. Es tut mir Leid.
    Könnte ich mich wohl ein paar Minuten irgendwo hinsetzen, wo es kühler ist?«
    Draußen im Korridor umarmte der Staatsanwalt sie kurz.
    »Das ist mir so peinlich, ich …«
    »Das war genial. Die Verletzlichkeitsnummer, das hat die Geschworenen dran erinnert, dass Sie eine Frau sind. Phantastisch! Hervorragender Schachzug.«
    Nightingale setzte sich völlig verdattert hin. Wofür hielt er sie? Glaubte er, sie sei imstande, sich in Ausübung ihrer Pflicht wie eine Maschine zu verhalten, egal um welchen persönlichen Preis? Ihre Therapeutin hatte ihr geraten, sich 28

    nicht zwingen zu lassen, als Zeugin auszusagen. Die Frau hatte Recht mit der Annahme, dass der Vergewaltigungsversuch bei ihr ein schweres Trauma ausgelöst hatte, das nur wenig mit den körperlichen Verletzungen selbst zu tun hatte. Trau-matisch war die Erinnerung an ihre Hilflosigkeit, an seine Kraft und das Gewicht seines Körpers auf ihrem, seine grapschenden Finger, die sie berührten. Das bereitete ihr das größte Entsetzen. Sie fühlte sich besudelt und wertlos, aber sie hatte sich dazu bewegen lassen auszusagen, das Ganze noch einmal zu durchleben, und das Vertrauen, das in sie gesetzt worden war, hatte sich bislang als berechtigt erwiesen.
    »Können wir weitermachen?«
    »Ich glaube nicht. Ich bin sehr zittrig. Können wir das nicht auf morgen vertagen?«
    Sie fühlte sich in der Falle. Der Korridor war so stickig wie der Gerichtssaal. Die Sonne brannte durch die schmutzigen Fenster, grell zwischen den dunklen Schattenstreifen. Sie rutschte ein Stück zur Seite ins Dunkle und lehnte den Kopf gegen die Wand, die Augen geschlossen. Um sie herum und über ihr wurden Stimmen laut, die sie überreden wollten weiterzumachen. Wenn die Verteidigung Zeit hatte, ihre Taktik neu zu überdenken, könnte die Anklage ihren Vorteil einbüßen. Sie kapitulierte und hievte sich hoch. Als sie den Gerichtssaal betrat, fingen ihre Knie an zu zittern, und ihr wurde schwindelig. Das waren nur die Nerven, beruhigte sie sich, keine Vorwarnung.
    Sie riskierte einen Blick zu den Zuschauerbänken. Ihr Bruder saß dort neben einem sonnengebräunten Fremden mit seltsam strahlenden Augen. Die beiden lächelten sie an, und sie atmete tief durch.
    »Sergeant?«
    Stringer hatte ihren abschweifenden Blick bemerkt und 29

    hob ungeduldig eine Augenbraue, tat alles, um ihr Selbstvertrauen zu untergraben. Wenn er nur wüsste, wie wenig ihr davon noch geblieben war! Aber ihr Kostüm und das sorgfältige Make-up boten ein vollendetes, professionelles Bild. Un-durchlässige Tarnung.
    »Kommen wir auf den Abend des zwölften Februar letzten Jahres zu sprechen. Der Abend, an dem der Angeklagte Sie angegriffen hat, wie die Anklage behauptet.«
    »Der Abend, an dem er versucht hat, mich zu vergewaltigen.« Stringer schnaubte. »Ja, Sir, daran erinnere ich mich gut.«
    »Dann schildern Sie uns doch bitte Ihre Version der Ereignisse.«
    Nightingale holte tief Luft. Ihr Mund war trocken. Die gesamte Feuchtigkeit ihres Körper schien sich in kühlen Lachen um den Rockbund und unter ihren Armen gesammelt zu haben.
    »Es war das zweite Mal, dass der Angeklagte sich mit mir treffen wollte. Bei der ersten Verabredung war er nicht
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