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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo
Autoren: corley
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Gelenk über den Handteller verlief. Als sie erneut zustoßen wollte, hielt er ihren Arm fest und rollte sie auf den Rücken, sodass sie aufeinander lagen, beide ein Messer in der rechten Hand. Seine Linke quetschte ihr Handgelenk, bis ihr Tränen in die Augen schossen. Ihre Linke tastete nach der Verletzung seiner Messerhand und riss an der klaffenden Haut, bis er vor Schmerz aufstöhnte, zu-rückwich und das Messer fallen ließ.
    Es klirrte auf die Steine. Bevor er es mit seiner unverletzten Hand aufheben konnte, war Nightingale schon wieder auf den Beinen und kickte es weg, in den Schatten des Hauses, wo es gegen einen Eimer schepperte. Er zog ein Skalpell aus dem Schuh und fluchte frustriert.
    Dann trat Stille sein. Er hielt den verletzten Arm quer vor die Brust und starrte sie an. Sie spürte keinerlei Schmerz. Blut hatte ihr T-Shirt getränkt und sickerte an ihren nackten Beinen hinab in die Joggingschuhe, aber das war unwichtig. Er sah besiegt aus, trotz des kleinen Messers in seiner Hand. Sie griff an.
    Plötzlich zog er mit der unverletzten Hand eine Schlinge aus der Tasche und richtete sich gerade auf. Seine Schwäche war nur vorgetäuscht gewesen. Er war noch immer stärker als sie. Sie sprang trotzdem vor, doch er bekam ihr Handgelenk 608

    zu fassen und verdrehte es so heftig, dass ihre Finger das Taschenmesser fallen ließen.
    »Nein«, kreischte sie und stieß mit dem Kopf nach ihm.
    »Lass mich los, du Dreckschwein.« Sie wollte ihm in den Magen treten, aber er hielt ihren Fuß fest und zog, sodass sie das Gleichgewicht verlor. Sie schlug schwer auf der Seite auf, aber der Schwung ihres Sturzes riss ihn mit. Jetzt war er nur noch darauf konzentriert, ihr die Schlinge über den Kopf zu streifen. Die Vorstellung, wie ein Schlachttier gefesselt zu werden, verlieh ihr noch mehr Kraft für ihren verzweifelten Kampf.
    »Oh nein, so nicht.«
    Mit einem Ruck ließ sie den Kopf zurückschnellen und traf genau seine Kinnspitze. Bei dem Geräusch, wie seine Zähne aufeinander schlugen, grinste sie wie eine Wilde. Sie sprang auf und trat mit voller Wucht auf seine verletzte Hand, die prompt das Skalpell fallen ließ. Mit einer reflexarti-gen Bewegung hob sie es auf.
    Er war auf allen vieren, noch ganz benommen von dem Schlag, schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen. Der Wunsch, ihn zu töten, war übermächtig: einen Schritt nach vorn, ihm den Kopf nach hinten reißen und ihm die Kehle aufschlitzen. Es wäre in Sekundenschnelle vorbei, und sie hätte sich von dem Bösen befreit, das da auf den Steinen vor ihr herumkroch. Sie würde der Welt einen Gefallen tun. Fast ohne nachzudenken, berührte sie die winzige Klinge in ihrer Hand, staunte, wie scharf sie geschliffen war. Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
    Der Mann sah auf, seine Augen huschten von dem Messer zu ihrem Gesicht und weiteten sich vor Entsetzen. Der Anblick entzückte sie.
    »Nein, bitte nicht.« Er wollte aufstehen, aber die wieder-609

    holten Schläge gegen sein Kinn hatten sein Nervensystem endlich doch betäubt, und er schaffte es nur, auf ein Knie zu kommen, fast wie zu einem Heiratsantrag. »Ich flehe dich an.
    Um Gottes willen, nein.«
    Als sie den Mann so hilflos vor sich sah, wie er zu ihr hochschaute und um Gnade bettelte, wurde sie von einem köstlichen Gefühl der Lust übermannt. Ihr Gesicht rötete sich, und sie öffnete den Mund vor Freude. Er schien den Ausdruck zu erkennen, hatte ihn vielleicht früher in seinem eigenen Spiegel gesehen, denn er wich vor ihr zurück.
    Sie trat auf ihn zu, ohne jede Eile, jetzt, wo er außer Gefecht gesetzt war.
    »Nein!«
    »Und warum nicht, du krankes Schwein? Du hast es verdient. Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
    Sie hob das Messer.
    »Das kannst du nicht machen. Du bist Polizistin, du kannst mich nicht töten. Das darfst du nicht.«
    Sie lachte, ein schreckliches Geräusch, und er kam mühsam auf die Beine, blieb geduckt vor ihr stehen.
    »Knie dich wieder hin und bettle.« Sie spuckte ihm die Worte förmlich entgegen. Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte er, dann gehorchte er.
    »Und jetzt lass hören, warum du es verdient hast weiterzu-leben.«
    »Ich habe Rechte. Das kannst du nicht machen.«
    »Du hast gerade versucht, mich zu töten. Ich verteidige mich nur – töten oder getötet werden. Alle Welt wird mir glauben, dass es Notwehr war.«
    »Das stimmt nicht, du siehst doch, ich ergebe mich!« Er legte die blutigen Handgelenke zusammen und hob die Ar-me, als wollte er sich
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