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Creepers - Der Fluch der Hexe

Creepers - Der Fluch der Hexe

Titel: Creepers - Der Fluch der Hexe
Autoren: Joanne Dahme
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Lebensgeschichte eines Menschen auf seinem Grabstein nachzuerzählen und den Verbliebenen damit Trost zu spenden.«
    »Hat er den Stein seiner Tochter selbst angefertigt?«, fragte ich. Ich versuchte mir vorzustellen, wie mein Vater zum Zeichen seiner Liebe einen Totenschädel zeichnete. Margaret musste meinen Gesichtsausdruck bemerkt haben.
    Das folgende Donnergrollen war länger und lauter. Über dem gesamten Maisfeld hingen nun tiefschwarze Wolken, aber Margaret und Mr. Geyer ließen sich davon nicht beirren.
    »Erkläre ihr die Symbole«, forderte Margaret ihn auf. »Sie erscheinen wirklich makaber, solange man ihre Bedeutung nicht versteht.« Ich sah Margaret an – ein Mädchen, das so erstaunlich erwachsene Worte benutzte. Sie stand neben ihrem Vater, ohne den Sturm zu beachten, der die Bäume ringsum bis tief in die Wurzeln zu erschüttern schien.
    »Nur ein ganz knapper Überblick über die Symbole, Courtney, bevor auch wir vom Winde verweht werden.« Er sprach jetzt lauter. Der Wind duldete es nicht, ignoriert zu werden.
    Mr. Geyer deutete auf Prudence’ Grabstein. »Die Sanduhr symbolisiert das Verrinnen der Zeit, und die Knochen stehen für Vergänglichkeit. Das Skelett ist schlichtweg der Herrscher über den Tod, und dir wird auffallen, dass er einen Lorbeerkranz trägt, der seinen Sieg symbolisieren soll.« Margaret hockte sich neben den Grabstein und musterte ihn eingehend, so als würde sie ihn gerade zum ersten Mal genauer betrachten.
    Mr. Geyer fuhr fort: »In seinen Händen hält er die Sonne und den Mond, die laut Bibel für den neuen Himmel und die neue Erde stehen.« Während er neuen Atem schöpfte, starrte er trübsinnig vor sich hin. »Darunter sieht man zwei Fledermäuse, die für das Böse in der Welt stehen, das der Tod überwunden hat. Und zum Glück gibt es da noch die beiden lächelnden Engel, die dazu dienen, den ansonsten recht grausigen Eindruck der Gravuren zu mildern. Der Trauernde soll vor allen Dingen daran erinnert werden, dass der Meister Tod uns alle in glückliche und unschuldige Wesen zurückverwandelt.«
    »Und der Efeu?«, fragte ich, nunmehr aus echtem Interesse. »Ist der Efeu deshalb auf dem Grabstein, weil er hier überall wächst? Als eine Art Erinnerung an zuhause?«
    Mr. Geyer schüttelte den Kopf. »Nein, mit dem Efeu verhält es sich anders …«
    » Ich möchte es Courtney erklären«, unterbrach ihn Margaret. In ihrer Stimme lag eine eigenartige Dringlichkeit. Ihre Augen leuchteten, obwohl ihr Gesicht blass und ruhig aussah.
    »Der Tod seiner Tochter brach Christian das Herz, und obwohl er Tag für Tag mit dem Tod zu tun hatte, war er nicht bereit, sich Prudence wegnehmen zu lassen. Ich habe doch recht, nicht wahr, Dad?«, fragte sie ihren Vater, allerdings eher, um ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen, als um nach einer Bestätigung zu verlangen.
    »Ja«, stimmte Mr. Geyer ihr zu. Die Brille saß wieder an ihrem angestammten Platz. Seine Augen, die erneut wie Glupschaugen aussahen, wirkten mit einem Mal besorgt.
    »Als Christian den Grabstein für Prudence gravierte, kam eine Frau aus dem Ort zu ihm. Den Gerüchten nach war sie eine Hexe, aber das kümmerte Christian nicht.« Margarets Stimme war nur noch ein Flüstern. Das nahende Unwetter war mir inzwischen egal.
    »Sie forderte ihn auf, um den Grabstein herum ein Band aus Efeu zu gravieren. Natürlich als Symbol des Lebens, denn Efeu ist eine immergrüne Pflanze, sie überlebt den Wechsel der Jahreszeiten. Der Efeu sollte Prudence zurückbringen.«
    Ich hatte Angst, die Frage zu stellen, aber ich tat es trotzdem: »Das hat natürlich nicht funktioniert, oder?«
    Margaret lächelte traurig. »Nein, es hat nicht funktioniert. Aber der Efeu überwucherte innerhalb von kürzester Zeit dengesamten Friedhof. Zumindest steht es so in Christians Tagebüchern. Dad hat sie im Zuge seiner Nachforschungen vollständig gelesen.«
    Ein Blitz zuckte über den Himmel und ließ uns alle zusammenfahren. Kurz darauf fühlte ich den kalten Regen, der mir wie Kiesel auf die Schultern prasselte.
    »Lasst uns gehen, Mädchen. Die Führung ist für heute beendet«, rief Mr. Geyer, allem Anschein nach erleichtert.
    Im nächsten Moment rannten wir einen der Kieswege hinunter in Richtung Haupteingang. Mir fiel auf, dass der Efeu tatsächlich überall war.
    »Ist das der Grund, weshalb er immer noch hier wächst? Der Efeu, meine ich?«, fragte ich.
    »Das wissen wir nicht«, entgegnete Margaret schlicht. Ihre Gestalt schimmerte unter
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