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Crash

Crash

Titel: Crash
Autoren: J. G. Ballard
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mich zu beschleunigen, das aus dem Schatten unter der Überführung kam, wo Vaughan und ich nebeneinander gelegen hatten. Die weißrandigen Reifen knirschten durch Bierfiaschen und weggeworfene Zigarettenschachteln im Rinnstein, hoIperten über eine Bordsteinerhöhung und rollten unaufhörlich auf mich zu. Ich wußte nun, daß Vaughan meinetwegen nicht anhalten würde, daher preßte ich mich gegen die Betonwand der Nische. Der Lincoln folgte mir, der rechte vordere Kotflügel streifte an der Radnabe des Wagens, in dem ich gesessen hatte. Er raste weiter und riß die Tür aus den Angeln. Eine Säule aus Staub und Zeitungspapierschnipseln stieg in die Luft, während der Wagen seitlich auf die Zufahrtstraße schlingerte. Vaughans blutige Hände wirbelten hinter dem Lenkrad. Der Lincoln kam am gegenüberliegen den Straßenrand wieder vom Asphalt ab und zerschmetterte eine zehn Meter lange Sektion des Holzzaunes. Doch die Hinterreifen verloren die Bodenhaftung nicht, daher schwang die Limousine wieder zurück und fuhr zur Schnellstraße.
    Ich ging zu dem verlassenen Wagen und beugte mich über das Dach. Die Fahrertür war in den vorderen Kotflügel gedrückt worden, der Aufprall hatte das deformierte Metall zusammengeschweißt. Ich dachte an Vaughans Narbengewebe, das auf dieselbe Weise entlang willkürlicher Säume, Konturen einer plötzlichen Gewalt, verschweißt worden war. Ich würgte vergeblich über einer Lache säuerlicher Schleimflüssigkeit. Als der Lincoln gegen die Palisade geprallt war, hatte Vaughan sich berechnend umgesehen und überlegt, ob er einen zweiten Versuch wagen konnte. Papierfetzen wirbelten um mich her durch die Luft und ließen sich langsam auf verschiedenen Punkten der zerschmetterten Türen und der Motorhaube nieder.

    Kapitel Dreiundzwanzig

    Am Himmel über dem Flughafen stiegen Glasflugzeuge auf. Ich betrachtete den Verkehr auf der Straße durch die knisternde Luft. Die Erinnerung an die wunderschönen Fahrzeuge, die ich auf den Straßen fahren gesehen hatte, verwandelte die einst beklemmenden Staus in eine endlose erleuchtete Schlange, die geduldig auf eine unsichtbare Zufahrtsstraße in den Himmel wartete. Ich betrachtete die Landschaft unter mir vom Balkon meiner Wohnung und versuchte, die Zufahrt zu jenen paradiesischen Gefilden zu finden, eine Meilen breite Pforte auf den Schultern zweier Erzengel, durch die aller Verkehr der Welt fließen konnte.
    In diesen seltsamen Tagen, während ich mich von den Folgen des Acid-Trips und meines beinahigen Todes erholte, blieb ich mit Catherine zu Hause. Dort saß ich, umklammerte mit beiden Händen die Lehnen meines Sessels und suchte die metallisierte Landschaft nach Spuren Vaughans ab. Der Verkehr floß träge entlang der Betonstraßen, die Dächer der Automobile bildeten einen konstanten Panzer polierter Zellulose. Die Nachwirkungen des LSD hatten mich in einen Zustand fast beängstigender Ruhe versetzt. Ich fühlte mich von meinem Körper gelöst, als befänden sich die Muskeln wenige Millimeter von den Armaturen meiner Knochen entfernt, beides wurde lediglich von einigen Wundstellen zusammengehalten, die ich mir beim Bewegen von Armen und Beinen während des Acid-Trips zugezogen hatte. Auch noch vier Tage hinterher blieben einzelne Teile der Erfahrung intakt, ich konnte immer noch Automobile in schimmernden Rüstungen sehen, die auf Feuersschwingen über die Schnellstraßen fuhren. Die Fußgänger unten auf den Gehwegen trugen Anzüge aus Licht, als wäre ich der einzige Zuschauer in einer ganzen Stadt voller Matadore. Catherine bewegte sich wie eine elektrische Nymphe hinter mir, ein hingebungsvolles Geschöpf, das mit seiner ruhigen Gegenwart über meine Gesten des Entzückens wachte.
    In weniger glücklichen Augenblicken kehrten das benommene Delirium und die ausgelaugten Perspektiven der grauen Überführung zurück, und ich sah erneut das klamme Hypogäum, in dessen Mund ich Tausende Fliegen und Insekten erblickt hatte, die sich auf dem Armaturenbrett des Wagens und auf Vaughans entblößten Schenkeln gütlich getan hatten. Dann hielt ich, erschreckt von diesen gräßlichen Visionen, Catherines Hand, während sie meine Schultern drückte und mich zu überzeugen versuchte, daß ich hinter dem ge schlossenen Fenster meiner Wohnung saß. Ich fragte sie oft, welche Jahreszeit wir hatten. Die Lichtwechsel meiner Netzhäute veränderten die Jahreszeiten oftmals ohne Vorwarnung.
    Eines Morgens, als Catherine mich alleine gelassen hatte, um ihre
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