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Crash

Crash

Titel: Crash
Autoren: J. G. Ballard
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wartete Vaughan an einer Kreuzung.
    »Wahrscheinlich sucht er mich« , sagte ich ihr. »Was hast du gesagt?«
    »Nichts. Ich werde die Polizei verständigen.«
    »Nein, bitte nicht.«
    Während ich noch mit ihr sprach, verfiel ich in dieselbe erotische Träumerei, in der ich Catherine manchmal nach dem Fluglehrer fragte, mit dem sie zu Mittag aß, um eine Einzelheit nach der anderen über ein amouröse Begegnung oder einen hastigen Geschlechtsverkehr aus ihr herauszulocken. Ich stellte mir Vaughan vor, der ihr an Straßenkreu zungen auflauerte, ihr durch Waschanlagen folgte und sich dabei immer mehr einer intensiven erotischen Begegnung näherte. Die öden Straßen wurden durch das Vorbeifahren ihrer Körper bei diesem unvergleichlich lange hinausgezogenen Paarungsritual illuminiert.
    Da ich außerstande war, noch länger in der Wohnung zu bleiben, während’ diese exquisite Brautwerbung stattfand, fuhr ich mit meinem Wagen zum Flughafen. Dort wartete ich auf dem Dach des Parkhauses auf das Erscheinen Vaughans.

    Wie vermutet, wartete Vaughan an der Kreuzung der Western Avenue mit der Überführung auf meine Frau. Er gab sich keine Mühe, seine Anwesenheit vor uns zu verbergen, sondern drängte sich dreist in den Verkehrsstrom. Vaughan, der anscheinend weder an Catherine noch an mir interessiert zu sein schien, lehnte am Fenster und schien über dem Lenkrad zu schlafen. Wenn er bei Ampelwechseln vorwärts schoß, trommelte seine linke Hand auf dem Lenkrad, als wollte er durch dessen Zittern die Blindenschrift der Straße entziffern. Er folgte den zitternden Konturen des Straßenbelags, indem er innerhalb seiner Fahrspur mit dem Lincoln von einer Seite zur anderen schwankte. Sein kantiges Gesicht war zu einer starren Maske verzerrt, die narbigen Wangen schienen angespannt. Er scherte wahllos aus den Fahrspuren aus und beschleunigte, bis er weit vor Catherine war, dann bremste er wieder, fädelte sich hinter ihr ein und ließ es zu, daß sich andere Wagen zwischen sie drängten, um dann anschließend wieder eine Beobachtungsposition direkt hinter ihr einzunehmen. Er imitierte Catherines Fahrstil, die Haltung von Schultern und Kinn, ihren unaufhörlichen Gebrauch der Bremse. Ihre harmonisierenden Bremslichter flossen auf der Schnellstraße dahin wie die Unterhaltung eines lange verheirateten Paares.
    Ich raste hinter ihnen her und drohte allen Wagen mit der Lichthupe, die sich dazwischendrängen wollten. Wir erreic hten die Rampe der Überführung. Während Catherine die Überführung hochfuhr und dabei von einer Reihe von Treibstofftankern zum Bremsen gezwungen wurde, beschleunigte Vaughan schaff und wandte sich an der Kreuzung nach links. Ich raste hinter ihm her und wand mich durch die Kreuzungen und Kreisverkehre, die die Überführung überspannte. Wir mißachteten eine Verkehrsampel, da uns der Flughafenverkehr dichtauf folgte. Irgendwo über unseren Köpfen fuhr Catherine über das offene Deck der Überführung.
    Vaughan fuhr halsbrecherisch durch den Nachmittagsverkehr, er bremste erst im letztmöglichen Augenblick, sein Wagen hing schwer auf einer Seite herab, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit in einen Kreisverkehr hineinfuhr. Ich raste hundert Meter hinter ihm auf die Abfahrtsrampe zu. Vaughan stoppte an der Kreuzung und ließ die Tanklastwagen vorbeifahren. Als Catherines kleiner Sportwagen auftauchte, schoß er vorwärts.
    Ich fuhr ihm hinterher und wartete darauf, daß er mit Catherines Wagen zusammenstieß. Sein Auto raste auf Kollisionskurs über die Fahrbahnmarkierungen. Doch im letzten Augenblick riß er das Lenkrad herum und verschwand in der benachbarten Fahrspur. Er geriet jenseits eines Kreisverkehrs in die Straße nach Norden. Ich sah ihm nach, während ich mit Catherine gleichziehen wollte, und erhaschte einen letzten Blick auf den demolierten rechten Kotflügel, während er einem Lastwagen mit der Lichthupe drohte.
    Eine halbe Stunde später betastete ich in der Tiefgarage unseres Wohnhauses die Abdrücke von Vaughans Limousine in der Karosserie des Sportwagens meiner Frau, Spuren der Probe eines Todes.

    Die Proben einer Vereinigung zwischen Catherine und Vaughan dauerten auch an den folgenden Tagen an. Vera Seagrave rief mich zweimal an und fragte mich, ob ich Vaughan gesehen hätte, doch ich beharrte darauf, das Apartment nicht verlassen zu haben. Sie erzählte mir, die Polizei hätte Vaughans Fotografien aus der Dunkelkammer in ihrem Haus beschlagnahmt. Verblüffenderweise schienen
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