Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster
Autoren: Mira Becker
Vom Netzwerk:
und plötzlich steht ihr das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. «Ist er etwa auch Yogalehrer?»
    Ob sie sich Ben bereits als Schwiegersohn ohne anständigen Beruf vorstellt?
    «Nein, nein», sage ich schnell. «Ben ist Besitzer einer großen Fitnesskette mit neun Filialen, unter anderem auch in Stuttgart, Hamburg und Frankfurt.» Dass er gleichzeitig auch mein ärgster Konkurrent ist, braucht Mama ja nicht zu wissen.
    «Soso   … Fitnesskette», murmelt sie vor sich hin. «Und davon kann man leben?»
    Ich nicke eifrig und bemühe mich um einen ernsthaften Gesichtsausdruck. «Er hat übrigens darauf bestanden, diesen opulenten Strauß für dich zu bezahlen.»
    «Sehr aufmerksam von ihm.» Verlegen schiebt sie ihre Brille auf der Nase zurecht. «Wie dem auch sei, es geht michim Grunde ja auch gar nichts an, was dieser junge Mann beruflich treibt.» Offensichtlich erinnert sich Mama wieder an ihre guten Manieren. «Was mich aber sehr wohl etwas angeht, ist deine Anmaßung, dich hier als Therapeutin aufzuspielen, Antonella.»
    Durchatmen.
    Und keine Panik!
    «Wie kommst du denn auf so eine absurde Idee?», frage ich und lache bemüht herzhaft, um Mama zu verunsichern. «Ich hatte wirklich nur deine Kleider an, um einen guten Eindruck bei deinen Patienten zu machen. Ich würde aber niemals wagen   –»
    «Verkauf mich nicht für blöd, Antonella», fällt sie mir unwirsch ins Wort.
    «Ich meine ja nur   … Also, ich muss gestehen, dass ich deinen Beruf inzwischen mit anderen Augen betrachte», beeile ich mich zu erklären, um sie vorerst wieder zu beruhigen. «Ich   … Ich könnte mir sogar durchaus vorstellen   –»
    «Bist du dir sicher?», unterbricht mich Mama mit freudigem Strahlen. «Das wäre ja   … Ich meine, du könntest dir wirklich vorstellen, als Therapeutin zu arbeiten?»
    «Ähm   …» Huch! Da bin ich wohl ein wenig übers Ziel hinausgeschossen.
    «Nelly, das wäre ja phantastisch!»
    Nelly? Mama stottert und nennt mich Nelly?
    Ein denkwürdiger Tag.
    «Nicht so schnell», stoppe ich ihre Euphorie. «Ich finde manches daran wirklich interessant. Was mir Ben über seine Amnesie erzählt hat   … ähm   … Bei einem privaten Gespräch in einem Restaurant», erkläre ich eilig, damit sie nicht wieder auf dumme Gedanken kommt. «Und was ich in deinerAbwesenheit so beim Blättern in den Fachbüchern gelesen habe   … Also, bislang dachte ich ja immer, man müsse sich nur endlose Monologe von unglücklichen Menschen anhören, aber anscheinend ist die Thematik   … na ja, sehr viel umfassender. Und für Bens Geschichte interessiere ich mich natürlich besonders.»
    Mama hört mir aufmerksam zu und sieht mich mit großen Augen an. «Ja, die Amnesie ist wirklich ein höchst spannendes Feld. Wenn du willst, können wir das bei Gelegenheit gerne vertiefen   … Ich bin auch schon sehr gespannt auf den Patienten.»
    Hilfe!
    Offensichtlich glaubt sie, Ben würde nach wie vor eine Therapie benötigen.
    «Du meinst Ben?»
    «Aber ja», antwortet sie irritiert und blättert in ihrem Kalender. «Zurzeit ist Ben Reuther mein einziger Amnesie-Fall.»
    Wenn mir nicht sofort ein plausibler Grund einfällt, warum sich Ben nicht mehr behandeln lassen will, fliegt meine Schwindelei doch noch auf.
    «Also da wäre   … ähm, da wäre noch ein kleines Problem», beginne ich vage und rutsche unruhig auf meinem Stuhl hin und her, als würde ich auf einem Nadelkissen sitzen. «Es gibt da noch etwas, was du wissen solltest.»
    «Oh, verstehe», entgegnet Mama zu meiner größten Überraschung.
    Wie? Was versteht sie?
    Keine Panik, sage ich mir und besinne mich auf mein
Talent
als Therapeutin. Ich wiederhole einfach ihre letzten Worte und formuliere sie als Frage: «Du verstehst also?»
    «Aber natürlich», versichert sie, «Ben möchte sich nicht von der Mutter seiner Freundin behandeln lassen. Er befürchtet Peinlichkeiten, weil intime Dinge zur Sprache kommen könnten. Das verstehe ich natürlich.»
    Sie nickt mir verständnisvoll zu, und ich will schon erleichtert aufatmen, als sie noch hinzufügt: «Ich werde ihn einfach an einen renommierten, männlichen Kollegen verweisen, und schon ist das Problem gelöst.»
    Mir entfährt ein langer Seufzer.
    «Schon gut, Nelly, ich verstehe die Situation voll und ganz», bestätigt sie erneut. «Deine Sorge ist unnötig. Und auch mein anderes Angebot steht nach wie vor.»
    Arrrgh! Was kommt denn jetzt noch? Es ist zum Haareraufen!
    Mama blickt mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher