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Coraline

Coraline

Titel: Coraline
Autoren: Neil Gaiman
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deiner Stelle würde ich mich daran halten.«
    »Einen Schutz?«
    »Genau das hab ich gesagt«, sagte der Kater. »Und überhaupt . . .«
    Er hielt inne und starrte konzentriert auf etwas, was gar nicht da war.
    Dann kauerte er sich dicht am Boden zusammen und bewegte sich langsam zwei, drei Schritte vorwärts. Es war, als pirschte er sich an eine unsichtbare Maus heran.
    Unvermittelt machte er kehrt und stürmte zum Wald davon.
    Dort verschwand er zwischen den Bäumen.
    Coraline fragte sich, was der Kater wohl gemeint hatte.
    Außerdem fragte sie sich, ob dort, wo sie herkam, alle Katzen sprechen konnten und es aus freiem Entschluss nicht taten, oder ob sie nur sprechen konnten, wenn sie hier waren – wo immer hier auch sein mochte.
    Sie stieg die Backsteinstufen zur Eingangstür von Miss Spink und Miss Forcible hinauf. Die blauen und roten Lämpchen blinkten, gingen an und aus.
    Die Tür stand offen, nur einen Spalt breit. Coraline klopfte, aber beim ersten Klopfen ging die Tür weit auf und Coraline trat ein.
    Vor ihr lag ein dunkler Raum, der nach Staub und Samt roch. Die Tür schlug hinter ihr ins Schloss und um sie herum wurde es schwarz. Coraline tastete sich in einen kleinen Vorraum vor. Ihr Gesicht streifte etwas Weiches. Es war Stoff. Sie langte nach oben und stieß gegen den Stoff. Er teilte sich.
    Sie stand in einem schwach erhellten Theater hinter dem Samtvorhang. Ein ganzes Stück entfernt, am anderen Ende des Raums, befand sich eine hohe Holzbühne, die leer und kahl war. Von hoch oben strahlte ein matter Scheinwerfer auf sie herab.
    Zwischen Coraline und der Bühne zogen sich Sitzrei hen entlang. Eine Sitzreihe nach der anderen. Sie hörte ein Schlurfen und ein hin und her schwankendes Licht kam auf sie zu. Als es näher kam, konnte sie erkennen, dass das Licht von einer Taschenlampe stammte, die ein großer, schwarzer Terrier im Maul trug. Er war so alt, dass die Haare auf seiner Schnauze schon ganz grau waren.
    »Hallo«, sagte Coraline.
    Der Hund legte die Taschenlampe auf dem Boden ab und schaute zu ihr hoch. »Na schön. Lass deine Eintrittskarte sehen«, sagte er barsch.
    »Meine Eintrittskarte?«
    »Genau das hab ich gesagt. Deine Eintrittskarte. Hör mal, ich hab nicht ewig Zeit. Ohne Eintrittskarte kannst du dir die Vorstellung nicht ansehen.«
    Coraline seufzte. »Ich hab keine Eintrittskarte«, gestand sie.
    »Noch so eine«, sagte der Hund trübsinnig. »Kommen in aller Dreistigkeit hier herein. ›Wo ist die Eintrittskarte?‹ – ›Ich hab keine.‹ Also, ich weiß ja nicht . . .« Er schüttelte den Kopf und zuckte dann mit den Schultern. »Na, dann komm mal mit.«
    Er nahm die Taschenlampe wieder ins Maul und trottete in die Dunkelheit davon. Coraline folgte ihm. Kurz vor der Bühne blieb er stehen und leuchtete mit der Taschenlampe auf einen leeren Platz. Coraline setzte sich und der Hund schlenderte davon.
    Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stellte sie fest, dass auf den anderen Plätzen lauter Hunde saßen.
    Hinter der Bühne ertönte plötzlich ein Zischen. Coraline kam zu dem Ergebnis, dass es das Geräusch einer alten, zerkratzten Schallplatte war, die auf den Plattenspieler gelegt wurde. Aus dem Zischen wurden Fanfarenstöße und Miss Spink und Miss Forcible traten auf die Bühne.
    Miss Spink fuhr auf einem Einrad und jonglierte dabei mit Bällen. Miss Forcible hüpfte mit einem Blumenkorb hinter ihr her und streute Blütenblätter auf die Bühne. Sie kamen am vorderen Rand der Bühne an, Miss Spink sprang behände vom Einrad herunter und die beiden alten Damen verbeugten sich tief.
    Alle Hunde klopften mit ihren Schwänzen auf die Sitze und bellten begeistert. Coraline klatschte höflich Beifall.
    Dann knöpften die beiden ihre flauschigen, runden Mäntel auf und schlugen sie auseinander. Aber nicht nur die Mäntel wurden geöffnet. Wie leere Hülsen öffneten sich auch ihre Gesichter und aus den alten, leeren, flauschigen runden Körpern traten zwei junge Frauen hervor. Sie waren dünn und blass und ziemlich hübsch und hatten schwarze Knopfaugen.
    Die neue Miss Spink hatte grüne Strumpfhosen an und hohe braune Stiefel, die über den größten Teil ihrer Beine reichten. Die neue Miss Forcible trug ein weißes Kleid und hatte Blumen in ihren langen blonden Haaren.
    Coraline lehnte sich in ihrem Sitz zurück.
    Miss Spink ging von der Bühne und die Fanfaren quietschten auf, als die Grammofonnadel sich über die Schallplatte geackert hatte und
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