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Copy

Copy

Titel: Copy
Autoren: David Brin
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Zombie-Augen anstarrten. Als ich ein Kind war, haben sie ganze Autos aus dem Fluss geholt, manchmal mit Leuten drin. Mit Realpersonen ohne Ersatzkopien, die das ruinierte Leben fortsetzen konnten.
    Jene Zeiten hatten gewisse Vorteile. Damals hatte der verdreckte Gorta gestunken, und Öko-Gesetze sanierten den Fluss wieder. Heute standen Leute am Kai und angelten. Und Fische fanden sich überall dort ein, wo die Stadt etwas Essbares in den Fluss warf.
    Diese Beschreibung galt auch für mich.
    Realfleisch ist geschmeidig. Es wird nicht nach vierundzwanzig Stunden flockig. Protoplasma ist so zäh und strapazierfähig, dass selbst eine Leiche im Fluss tagelang der Verwesung widersteht.
    Doch meine Haut hatte schon vor dem Sprung ins Wasser begonnen, sich abzulösen. Man kann den Ablauf durch Willenskraft ein wenig hinauszögern, aber inzwischen kam es in den organischen Ketten dieses Duplikats immer schneller zu Strukturverlusten. Der Geruch des Verfalls dehnte sich im Wasser aus und lockte Opportunisten an, die von allen Seiten herangesaust kamen und nach halb abgefallenen Brocken schnappten. Zuerst schlug ich mit der verbliebenen Hand nach ihnen, doch das ließ die Aasfresser nur etwas langsamer werden, ohne sie zu verscheuchen. Schließlich gab ich es auf, stapfte weiter und verzog immer dann das Gesicht, wenn gierige Fischmäuler in einen Schmerzrezeptor bissen.
    Als es einige von ihnen auf meine Augen abgesehen hatten, wurde es mir zu viel. Ich brauchte mein Sehvermögen noch für eine Weile.
    An einer Stelle kam plötzlich warmes Wasser von links, eine starke Strömung, die mich zur Seite drängte. Sie vertrieb die hungrigen Fische für eine Weile und erlaubte mir, mich wieder zu konzentrieren…
    Das muss der Hahnstraßenkanal sein.
    Mal sehen. Claras Boot ist bei Kleinvenedig festgemacht. Das müsste die zweite Öffnung nach dieser sein… Oder schon die nächste?
    Ich musste mich sehr bemühen, um an dem Kanal vorbeizugelangen, ohne ins tiefe Wasser gespült zu werden, und dahinter schaffte ich es irgendwie, die steinerne Eindämmung zu erreichen. Leider kehrten an dieser Stelle die hungrigen Schwärme zurück – Fische von oben, Krabben von unten –, angelockt von den blutenden Wunden, und machten sich über meine verfaulende Haut her.
    Was die nächsten Dinge betrifft, erinnere ich mich nicht an Einzelheiten. Ich weiß nur noch, dass ich alle meine Kräfte zusammennahm, als ich mich durch Schlamm, Müll und Wolken aus beißenden Peinigern mühte.
    Es heißt, dass bei der Herstellung eines Ditos immer mindestens eine Charaktereigenschaft des Originals auf ihn übergeht. Ganz gleich, was sich sonst verändert, ein Aspekt des grundlegenden Wesens zeigt sich in allen Kopien. Eine Realperson, die ehrlich, pessimistisch oder redselig ist, ergibt einen Golem mit ähnlichen Eigenschaften.
    Nach Claras Ansicht besteht mein beharrliches Attribut aus sturem Eigensinn.
    Zum Teufel mit allen, die meinen, ich könnte dies nicht schaffen.
    Dieser Satz ging mir wieder und immer wieder durchs verrottende Gehirn, tausendmal. Eine Million Mal. Er heulte bei jedem Schritt und immer dann, wenn ein Fisch einen weiteren Bissen nahm. Und er wuchs über die Worte hinaus, aus denen er bestand, wurde zu einer Beschwörung. Zu einem Fokus. Zu einem Mantra aus konzentrierter Hartnäckigkeit, das mich weitermarschieren ließ, einen quälenden Schritt nach dem anderen… bis ich mich schließlich einem schmalen Hindernis gegenübersah.
    Eine Zeit lang starrte ich darauf: eine moosbedeckte Kette, straff gespannt und fast vertikal. Sie reichte von einem Anker im Grund zu einem flachen Objekt aus hölzernen Planken.
    Ein Schwimmdock.
    Und daran vertäut ein Schiff, sein breiter Rumpf von Entenmuscheln bedeckt. Ich wusste nicht, wessen Boot es war, aber ich begriff, dass mir keine Zeit mehr blieb. Der Fluss würde mich erledigen, wenn ich noch länger im Wasser blieb.
    Mit der einen, inzwischen zerfleischten Hand ergriff ich die Kette und zog mich hoch. Der Schlamm gab meine Füße nur widerwillig frei. Ruckweise kam ich nach oben, strebte einem glitzernden Licht entgegen.
    Die Fische schienen zu ahnen, dass sie nur noch eine Chance hatten. Sie schwammen näher und schnappten nach allen Haut- und Fleischfetzen, die sie erreichen konnten, selbst als mein Kopf bereits die Wasseroberfläche durchstieß. Ich legte den Arm übers Dock und suchte in meinem Gedächtnis danach, was es jetzt zu tun galt.
    Atme. Das ist es. Du brauchst
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