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Copy

Copy

Titel: Copy
Autoren: David Brin
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versiegelten Kofferraum eines Wagens werfen oder lebendig begraben will. Ich habe Erinnerungen von allen diesen Dingen aufgenommen. Erinnerungen, die mir heute fehlen würden, wenn das Dito-Gehirn zu früh gestorben wäre.
    Welch ein Glück.
    Der Fluss, kalt wie Mondeis, strömte wie ein vergeudetes Leben an mir vorbei. Eine leise Stimme erklang, als ich tiefer ins trübe Wasser sank – eine Stimme, die ich schon bei anderen Gelegenheiten gehört hatte.
    Gib auf. Ruhe. Dies ist kein Tod. Dein reales Selbst bleibt am Leben. Er wird deine Träume weitertragen.
    Die wenigen, die dir geblieben sind.
    Das stimmte so weit. Rein philosophisch betrachtet war ich mit meinem Original identisch. Unsere Erinnerungen unterschieden sich nur um einen schrecklichen Tag. Einen Tag, den er barfuß verbrachte, in Boxershorts, bei Büroarbeiten daheim, während ich mich durch die Stellvertreter-Unterwelt der Stadt wühlte, wo das Leben billiger ist als in einem Dumas-Roman. Mein gegenwärtiger Fortbestand fiel im großen Rahmen der Dinge kaum ins Gewicht.
    Ich gab der leisen Stimme meine übliche Antwort.
    Zum Teufel mit dem Existenzialismus.
    Jedes Mal, wenn ich den Kopierer benutze, nimmt mein neuer Dito eine Milliarde Jahre alte Überlebensinstinkte auf.
    Ich möchte mein Leben danach.
    Als meine Füße den schlammigen Grund berührten, war ich entschlossen, es zumindest zu versuchen. Natürlich hatte ich fast keine Chance, aber vielleicht war das Glück bereit, mir neue Karten zu geben. Und es gab noch etwas anderes, das mich antrieb.
    Lass die Bösen nicht gewinnen. Lass sie nie damit durchkommen.
    Ich brauchte nicht zu atmen, aber Bewegung erwies sich als problematisch. Ich versuchte, mit den Füßen einigermaßen festen Halt zu finden und durch den Schlamm voranzukommen, doch alles war schlüpfrig und glatt. Selbst mit einem intakten Körper wäre das Gehen auf dem Grund des Flusses schwer gewesen, aber für meinen lief allmählich die Zeit ab.
    Sichtweite? Fast gleich null. Ich ließ mich vom Gedächtnis und meinem Tastsinn leiten. Einige Sekunden lang dachte ich daran, stromaufwärts zu gehen, zum Fährendock, doch dann fiel mir ein, dass Claras Hausboot stromabwärts vertäut war, nur einen Kilometer vom Odeonplatz entfernt. Ich stemmte mich nicht mehr der Strömung entgegen, sondern ließ mich von ihr mittragen und konzentrierte meine Bemühungen darauf, in der Nähe des Ufers zu bleiben.
    Die Ausstattung mit regulierbaren Schmerzsensoren wäre vielleicht hilfreich gewesen. Darauf musste ich leider verzichten – ich verfluchte meine eigene Billigkeit –, und so schnitt ich eine schmerzerfüllte Grimasse, während ich im klebrigen Schlamm einen Fuß vor den anderen setzte. Die Anstrengungen gaben mir Zeit, über die phänomenologische Angst nachzudenken, mit der es Geschöpfe meiner Art zu tun bekamen.
    Ich bin ich. So wenig Leben mir auch bleibt, es fühlt sich kostbar an. Und doch habe ich mit dem Sprung in den Fluss aufgegeben, was übrig ist, um einem anderen Gelegenheit zu geben, einige Credits zu sparen.
    Jenem Burschen, der mit meiner Freundin ins Bett steigt und von meinen Leistungen profitiert.
    Dem Burschen, der alle meine Erinnerungen teilt, bis zu dem Moment, als er (oder ich) gestern Abend auf dem Kopierer lag. Er blieb im Originalkörper zu Hause, und ich brach auf, um seine schmutzige Arbeit für ihn zu erledigen.
    Und vielleicht erfährt jener Bursche nie, was für einen grässlichen Tag ich hatte.
    Es ist jedes Mal wie beim Wurf einer Münze, wenn man einen Kopierer-und-Kiln benutzt. Wer wird man sein, Rig – das Original, die Realperson – oder Kop, Golem, Malocher, Dito-für-einen-Tag?
    Oft spielt es keine Rolle, wenn man wie vorgesehen die Erinnerungen aufnimmt, bevor die Kopie abläuft. Dann sind es einfach zwei Selbstteile, die wieder eins werden. Doch wenn der Dito beschädigt war oder Schlimmes erlebt hatte, was dann?
    Es fiel mir schwer, meine Gedanken zusammenzuhalten. Immerhin war dieser grüne Körper nicht auf Intelligenz angelegt. Ich konzentrierte mich auf meine Aufgabe, blieb in Bewegung und stapfte durch den Schlamm.
    Es gibt Orte, an denen man jeden Tag vorbeikommt und über die man kaum nachdenkt, weil man nicht erwartet, sich einmal mittendrin zu bewegen. Wie dieser. Alle wissen, dass der Gorta voller Unrat steckt. Immer wieder stieß ich auf Dinge, die den Säuberungsnetzen entgangen waren: ein verrostetes Fahrrad, alte Klimaanlagen und mehrere Computermonitore, die mich wie
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