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Cop

Cop

Titel: Cop
Autoren: R Jahn
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er ist stark, und sie sind …
    Plötzlich bellt ein Hund. Maggie zuckt zusammen – und schreit. Sofort schlägt sie sich die Hände vor den Mund, um den Schrei wieder einzufangen, aber es ist zu spät. Er ist heraus, und Beatrice kann ihn hören.
    Dabei weiß Maggie eigentlich, dass hier oben ein Hund ist. Jahrelang hat sie über ihrem Kopf seine Tatzen über den Boden klackern hören. Sie weiß sogar, wie er heißt: Buckshot. Aber sie hat ihn noch nie gesehen. Bis jetzt. Buckshot steht in der Tür, die von der Küche in den Flur führt. Er reicht ihr bis zur Hüfte, sein Fell ist braun wie Baumrinde, und die Zunge hängt ihm aus dem Maul. Er wedelt so wild mit dem Schwanz, dass er ihn dauernd an den Türrahmen schlägt.
    Beatrice hat den Topf sinken lassen. Sie steht da und starrt auf Maggie. Ihr Unterkiefer hängt herab, ihre Schultern hängen herab, ihre nassen Hände hängen herab und tropfen auf den schmutzig grünen Linoleumboden.
    Buckshot knurrt. Ein Knurren, das zu einem kurzen, hektischen Bellen anschwillt.
    Wieder zuckt Maggie zusammen.
    Gleichzeitig hört sie Bordens Stimme aus dem Keller. Er flüstert laut zu ihr herüber: »Wenn du jetzt zurückkommst, tun sie dir nichts.«
    »Henry!«, ruft Beatrice. »Henry, sie ist draußen! Sarah ist aus dem Keller entwischt!«
    Ein Blick zum Fernsehzimmer. Henry ist nicht zu sehen, aber bestimmt wird er gleich auftauchen. Ein Blick zum Flur. Buckshot steht noch immer in der Tür, sein Schwanz schlägt unverändert gegen den Rahmen. Wie soll sie bloß an ihm vorbeikommen? Er hat struppiges Fell, Narben ziehen sich über sein Gesicht und seine Seiten. Aber das macht ihr weniger Angst als Henry. Damit ist ihre Entscheidung gefallen. Als sie an Buckshot vorbeirennt, leckt er ihr über die Hand, und sein Schwanz klatscht auf ihre Hüfte, aber er beißt nicht zu, er bellt nicht mal. Rechts führt der Flur tiefer ins Haus hinein, links sieht sie eine Holztür, deren obere Hälfte eine gelbe Strukturglasscheibe umrahmt. Die Scheibe lässt ein wenig Licht herein und hält neugierige Blicke fern. Maggie packt den Knauf der Tür, drückt mit dem Daumen den kleinen Metallhebel herunter und zieht.
    Eine Wand aus Hitze schlägt ihr entgegen, sie starrt in gleißendes Licht. Es ist, als hätte sie eine Ofentür geöffnet und dabei ein ganzes Universum entdeckt. Wind weht ihr um die Nase.
    »Sarah, komm zurück! Sie will abhauen, Henry!«
    Als sie sich umdrehen will, spürt sie Beatrice’ Finger im Nacken. Sie sprintet vorwärts über die Veranda und stößt sich mit aller Kraft vom Boden ab. In hohem Bogen segelt sie durch die Luft und landet im Kies der Einfahrt. Scharfe graue Steinchen bohren sich in ihre nackten Sohlen. Fast wäre sie hingefallen, aber nur fast. Sie schaut sich um. Wohin jetzt? Links liegt eine Weide mit ein paar Kühen, die stumm vor sich hin kauen, rechts ein Wald mit Walnussbäumen, Eichen und Kiefern. Vielleicht kann sie sich dort verstecken. Also los.
    Sie spürt jeden Herzschlag, jeder Atemzug kratzt in ihrer trockenen Kehle. Aber die Sonne scheint ihr auf die Haut, ein wundervolles Gefühl. Sie ist draußen draußen draußen, und der warme Wind treibt sie immer weiter an, drückt sie nach vorne, weg von hier, hinein in die Freiheit.
    Gegenüber der Einfahrt, kurz vor dem Waldrand, blickt sie zurück – und sieht Henry. Der alte Mann rennt, so schnell er kann, sein riesiger Bauch schwingt hin und her wie das Pendel einer Standuhr, ein paar Strähnen des ansonsten ordentlich über den Schädel gekämmten Haars flattern im Wind. Sein Gesicht verzerrt sich, seine Augen treten hervor, seine grässlich rote Nase ragt in die Luft wie eine Geschwulst, die kurz vorm Platzen steht.
    »Du«, brüllt er zwischen keuchenden Atemzügen, »du bleibst jetzt stehen, Sarah!« Noch ein Keuchen. »Bleib verdammt noch mal stehen!«
    Maggie rennt in den Wald.
    Und hört nicht auf zu rennen. Sonnenstrahlen dringen durchs Blätterdach, durchschneiden die Dunkelheit. Das Licht fällt ihr aufs Gesicht, auf Arme und Beine. Sie hört Vögel singen, die fliehen, sobald sie näher kommt. Hört das Rauschen der Blätter im Sommerwind. Sie ist draußen. Sie ist frei. Ein Blick zurück – niemand zu sehen. Sie ist draußen. Keine Wände mehr, kein Keller.
    Sie rennt, bis jeder Atemzug wehtut. Sie springt über Pflanzen, die wie Gifteiche oder Giftefeu aussehen, sie duckt sich unter dicken Ranken hindurch, die zwischen den Bäumen wuchern und sich um die Stämme winden, dann wird
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