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Cop

Cop

Titel: Cop
Autoren: R Jahn
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noch ein Schritt.
    Als sie oben angelangt ist, kriegt sie kaum noch Luft. Ihre Handflächen jucken, und wenn sie ein- und ausatmet, klingt es, als hätte sie anstatt der Lunge einen löchrigen Gartenschlauch in der Brust.
    Maggie schluckt ihre Angst herunter.
    Ihre Hand legt sich auf die Klinke. Sie spürt kühles, glattes Metall. Kurz entschlossen zieht sie an der Tür. Helligkeit ergießt sich auf die Treppe, der Spalt verwandelt sich in ein türgroßes Rechteck aus Licht an der Wand zu ihrer Linken, in der Mitte nur geteilt vom Schatten ihres Arms.
    Und als sie durch die Tür linst, sieht sie aufgeplatzten, grünen Linoleumboden, dunkle Schränke und eine laminierte Küchentheke mit einem Berg schmutziger Teller, der an einen Stapel Porzellanpfannkuchen erinnert. Der Herd ist uralt. Früher muss er einmal weiß gewesen sein, doch nun ist er von einer Schicht aus Essensresten überzogen. Wassertropfen sprenkeln das Fenster über der Spüle. Fliegen kleben an der Decke.
    Eine Kakerlake huscht aus dem Geschirrhaufen hervor und verschwindet im Waschbecken.
    Links dröhnt der Fernseher. Also sind Henry und Beatrice im Wohnzimmer, auch wenn sie die beiden weder sieht noch hört.
    Dann hört sie die beiden doch. Zumindest einen von ihnen, denn auf der anderen Seite der Wand knarren die Dielen.
    Maggie weicht zurück, schließt die Tür bis auf einen Spalt und späht hindurch. Ihr stockt der Atem. Sie würde so gern blinzeln, aber sie traut sich nicht. Mit trockenen, weit aufgerissenen Augen beobachtet sie, wie Beatrice in die Küche tritt. Maggies Muskeln verkrampfen sich. Sie kann sich nicht rühren.
    Auf dem Weg zur Spüle greift sich Beatrice durch den Stoff ihres Kleids hindurch zwischen die Beine und kratzt sich. Danach dreht sie den Hahn auf. In den Rohren ertönt ein Klappern und Seufzen. Der Hahn spuckt einen Schwall rostige Brühe aus, gefolgt von rötlichem und schließlich klarem Wasser. Bald dampft es aus dem Waschbecken. Trotz der Hitze beschlägt das Fenster sofort.
    Beatrice spritzt etwas orangefarbenes Spülmittel auf einen grünen Schwamm, dann nimmt sie sich einen schmutzigen Teller – den blau-weißen von eben –, befeuchtet ihn und fängt an, ihn zu schrubben. Als der Teller sauber ist, taucht sie ihn kurz ins Wasser, stellt ihn in das rostige Abtropfgestell und schnappt sich den nächsten.
    Sie steht mit dem Rücken zu ihr. Vielleicht ist das ihre einzige Chance, hier rauszukommen. Jetzt oder nie. Maggie spürt die Schwelle unter den Füßen. Der Weg ist frei. Wieder öffnet sie die Tür, ganz leise. Ein paar Augenblicke lang steht sie reglos da, obwohl sie für jeden zu sehen ist. Als würde sie es darauf anlegen, entdeckt zu werden. Ihr Herz schlägt unglaublich laut, eigentlich müsste Beatrice das Klopfen hören. Tut sie aber nicht. Anstatt sich umzudrehen, spült sie weiter.
    »Komm zurück, bevor sie dich sieht.«
    Eine Stimme in ihrem Rücken. Maggie zuckt zusammen.
    Hinter ihr, auf halber Höhe der Treppe, steht Borden. Das Licht aus der Küche erleuchtet seinen Pferdekopf, der Körper verschwindet in den Schatten. Maggie sieht ihm in die Augen, tiefe, dunkle Löcher, wie mit einem Eisportionierer ausgehöhlt. Weißer Schaum bedeckt seinen Mund.
    Erneut muss sie schlucken – und schüttelt dann den Kopf. Nein, ich komm nicht zurück. Sie dreht sich wieder um. Beatrice steht immer noch vor der Spüle.
    »Komm zurück.«
    Nein.
    Hier oben kennt sie sich nicht aus, aber sie weiß, dass sie nicht nach links kann, denn von dort hört sie den Fernseher. Deshalb schleicht sie sich nach rechts durch die Küche, so leise wie möglich. Bitte, Gott, mach, dass der Boden nicht knarrt. Ein Schritt, noch ein Schritt. Eins, zwei, drei, und du bist frei.
    Beatrice stellt den nächsten Teller ins Gestell.
    Vorne rechts führt eine Tür in den Flur. Gelbliches Licht fällt auf die schiefen, altmodischen Bilder an der gegenüberliegenden Wand. Maggie weiß nicht, woher das Licht kommt, aber es schimmert wie die Reflexion auf einer Wasseroberfläche. Hoffentlich kommt es von draußen, von der Sonne. Wenn ja, ist es nicht mehr weit bis zur Außenwelt. Bis zu einer Welt, in der die Sonne scheint.
    Sie wirft einen Blick auf Beatrice. Die schnappt sich gerade einen dreckigen, mit trockenem Kohl verkrusteten Stieltopf und fängt an, ihn mit dem Schwamm zu bearbeiten. Dabei summt sie vor sich hin, ein Lied, das Maggie gut kennt. Jesus liebt mich, oh ja, denn die Bibel sagt es mir. Kleine Kinder, die sind sein, denn
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