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Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)

Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Bonjour Baguette (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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Schulter. »Ich heul doch nicht wegen dir!«
    »Nicht?«, erwidere ich und versuche dabei nicht allzu enttäuscht zu klingen.
    »Ganz sicher nicht«, erklärt Lena. »Ich heule, weil Schnüffi weg ist.«
    »Schnüffi? Wer ist Schnüffi?«
    »Mein Kaninchen! Sein Käfig war offen, und da ist es aus dem Garten abgehauen. Seit gestern ist es spurlos verschwunden.«
    In mir keimt ein Verdacht. Ein schrecklicher Verdacht. Ein mörderischer Verdacht.

    Gar nichts weiß er! In Keinklagenstadt gibt es bestimmt tausend Kaninchen, und da ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass ausgerechnet Lenas Schnüffi unter die Räder unseres Wagens gekommen ist.
    »Es ist braun-weiß gefleckt und so süß«, erzählt Lena weiter und fängt wieder an zu schluchzen.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt meine Mutter immer. Meine Hoffnung ist gerade jämmerlich gestorben und jetzt genauso mausetot wie Lenas Kaninchen.
    »Ich werde deinen Schnüffi finden«, verspreche ich Lena, und das ist nicht gelogen, weil ich ja genau weiß, wo er ist.
    »Wirklich? Das würdest du tun?« Lena wischt sich eine letzte Träne aus dem Gesicht und lächelt mich an.
    Das hat sie seit Wochen nicht mehr getan.
    In dem Augenblick kommt Niki von hinten und hakt sich bei mir unter.
    »Chéri! Wir können fahren«, sagt Niki. »Dein père hat alle meine Koffer verstaut. Ich bin ja so gespannt, wo ich schlafen werde.«
    Lenas Lächeln gefriert, als hätte man sie schockgefroren, und der Blick, den sie Niki zuwirft, ist so kalt wie ein Eiszapfen und mindestens genauso spitz.
    Ich kann Lena gerade noch »Ich finde Schnüffi! Ich schwöre es!« zurufen, da zerrt mich Niki auch schon am Arm zu unserem Wagen, in dem meine Eltern auf uns warten.
    Als wir abfahren, sehe ich, wie Mahmoud lässig seinen Seesack in den Kofferraum der Luxuslimousine schmeißt und neben Lena Platz nimmt.
    Das sieht ziemlich cool aus, und ich bin mir nicht sicher, ob ich es gut finden soll, dass er die nächsten Tage in Lenas Haus verbringen wird. Mein einziger Trost ist, dass die Villa des Bürgermeisters so riesig ist, dass sich die beiden in dieser Zeit sicher nur ganz selten, und wenn, dann auch nur zufällig begegnen werden.
    Während der ganzen Fahrt quatscht uns Niki ohne Unterbrechung die Ohren voll. Dabei erfahren meine Eltern und ich alles über ihren Vater (einen Börsenmakler), ihre Mutter (eine Opernsängerin), ihr Pferd (davon erzählt sie am allermeisten) und auch den Grund, warum sie fließend unsere Sprache spricht. Als Kind hatte sie eine deutsche Kinderfrau namens Erna, die Niki Deutsch beigebracht hat. Ich weiß, Erna hat es bestimmt nur gut gemeint, aber es ist trotzdem nicht fair, dass wir jetzt darunter leiden müssen.

    »Wir bringen dich bei Antigone unter. Bei Kai kannst du ja schlecht schlafen«, sagt meine Mutter, als Niki für einen Moment Luft holen muss.
    Antigone ist meine große Schwester. Meine Eltern haben sie nach einer Theaterfigur aus dem alten Griechenland benannt. Aber seit meine Schwester drei ist, kürzt sie ihren Namen in Anti ab, und das passt auch viel besser zu ihr. Anti hat ihr ganzes Zimmer schwarz angestrichen und trägt ausschließlich schwarze Klamotten zu ihren schwarz gefärbten Haaren. Schwarz ist ihre Lieblingsfarbe, und das entspricht ziemlich genau ihrer Sicht auf die Welt.
    Wenn man Niki und Anti in einem Zimmer unterbringt, dann ist das etwa so, als würde man eine Krähe mit einem Kolibri in einen Käfig stecken. Zum Glück ist Anti gerade nicht da und kann keinen Widerspruch einlegen. Sie ist in der letzten Zeit oft unterwegs, und ich habe drei Vermutungen, wo sie sein könnte:
    1) So, wie sich andere auf die Sonnenbank legen, um braun zu werden, verbringt Anti ihre Freizeit in einem Kohlebergwerk, damit ihre Hautfarbe nicht zu gesund aussieht.
    2) Sie treibt sich auf dem Friedhof rum, weil sie sich nur dort so richtig verstanden, geborgen und geliebt fühlt.
    3) Sie jobbt in einer Lakritzfabrik.
    Mir ist es egal, wo sie ist, Hauptsache, ich habe meine Ruhe.
    Zu Hause angekommen, beginnt Niki sofort damit, in Antis Zimmer ihre zehn Koffer auszupacken. Damit sie sich ganz wie daheim fühlt, bringe ich ihr den blau-weiß-rot blinkenden Eiffelturm vorbei. Als ich eintrete, ist Niki gerade dabei, Antis schwarze Lackfolie von den Fenstern zu reißen. Aus der Anlage meiner Schwester, aus der sonst ausschließlich die harten Bässe von Heavy-Metal-Musik dröhnen, ertönt ein harmloser Popsong, den Niki laut mitsingt. Ich muss zugeben, dass ihre
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