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Confusion

Confusion

Titel: Confusion
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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entgegen gebracht wurde. In Algier wimmelte es von allen möglichen anderen Leuten: vor allem von Mauren und Berbern, deren Vorfahren hier gelebt hatten, bevor die Türken gekommen waren, um für Ordnung zu sorgen. Sie trugen zumeist lange, einteilige Umhänge oder aber Gewänder aus vielen schmalen Stoffbahnen, die mithilfe von Nadeln und Schärpen um den Körper gewunden und festgehalten wurden. Es gab ein paar Juden, die immer schwarz gekleidet waren, und eine ganze Menge Europäer, die trugen, was in ihrer Heimat Mode gewesen war, als sie beschlossen hatten, Türken zu werden.
    Manche dieser Weißen sahen genauso à la mode aus wie die jungen Galane, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Eliza in der Maid in Amsterdam zu belagern, aber hin und wieder gab es auch den wunderlichen Kauz, der mit Halskrause, dem Hut der Pilgerväter und einem Van-Dyck-Bart eine Treppe herunterwankte. »Herrgott!«, rief Jack aus, während er einen von ihnen beobachtete. »Warum sind wir Sklaven und Leute wie diese alte Motte da angesehene Bürger?«
    Die Frage sorgte bei allen nur für Verwirrung, außer bei dem Afrikaner mit den seilartigen Haaren, der lachend den Kopf schüttelte. »Gewisse Fragen zu stellen ist sehr gefährlich«, sagte er. »Ich sollte das wissen.«
    »Wer bist du denn, und wie kommt es, dass du besser Englisch sprichst als ich?«
    »Ich werde Dappa genannt. Ich war – bin – Linguist.«
    »Das sagt mir überhaupt nichts«, sagte Jack, »aber da wir nur ein paar Sklaven sind, die in einer heidnischen Zitadelle umherirren, schadet es vermutlich nichts, eine ziemlich knappe Erklärung zu hören.«
    »In Wirklichkeit irren wir keineswegs umher, sondern befinden uns auf dem direktesten Weg zu unserem Ziel«, sagte Dappa. »Aber meine Geschichte ist einfach – anders als deine, Jack -, und ich werde noch
mehr als genug Zeit haben, sie dir zu erzählen. Also: Jeder Sklavenhafen entlang der afrikanischen Küste braucht einen Linguisten – das heißt, jemanden, der in vielen Sprachen bewandert ist; wie sonst könnten die schwarzen Sklavenhändler, die ihre Ware aus dem Hinterland dorthin bringen, Geschäfte mit den Schiffskapitänen machen, die vor der Küste ankern? Die Sklavenhändler kommen aus vielen verschiedenen Nationen und sprechen alle möglichen Sprachen; desgleichen können die Kapitäne Engländer, Holländer, Franzosen, Portugiesen, Spanier, Araber oder was auch immer sein, je nach dem Ausgang diverser europäischer Kriege, von denen wir Afrikaner so lange nichts wissen, bis die Burg an der Quelle des Flusses plötzlich eine andere Flagge hisst.«
    »Genug zu dem Thema – schließlich habe ich in manchen dieser Kriege gekämpft.«
    »Jack, ich komme aus einer Stadt an dem Fluss, den die Weißen Niger nennen. Das ist ein angenehmer Ort zum Leben – das Essen wächst auf Bäumen. Ich könnte ins Schwärmen geraten, werde mich aber zügeln. Nur so viel: Es war ein Garten Eden. Bis auf die Institution der Sklaverei, die uns immer begleitet hat. Seit so vielen Generationen, wie unsere Priester und Ältesten sich erinnern können, sind immer wieder Araber in Booten den großen Fluss heraufgekommen und haben uns gegen Stoffe, Gold und andere Waren Sklaven abgekauft...«
    »Aber woher kamen die Sklaven, Dappa?«
    »Das ist eine gute Frage. Vor meiner Zeit kamen sie größtenteils von weiter oben am Fluss, von wo sie, durch hölzerne Joche miteinander verbunden, in Kolonnen an die Küste marschierten. Auch aus meiner Stadt wurden ein paar Leute versklavt, weil sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten, oder als Bestrafung für ihre Verbrechen.«
    »Dann habt ihr Vögte? Richter?«
    »In meiner Heimatstadt waren die Priester sehr mächtig und taten vieles von dem, was in deinem Land Vögte und Richter tun.«
    »Wenn du Priester sagst, meinst du doch wahrscheinlich nicht Männer mit komischen Hüten, die auf Lateinisch daherschwafeln...«
    Dappa lachte. »Wenn Araber oder Katholiken kamen, um uns zu bekehren, haben wir sie ausreden lassen und dann höflich aufgefordert, wieder in ihre Boote zu steigen und nach Hause zu fahren. Nein, in meiner Stadt haben wir eine traditionelle Religion ausgeübt, deren Einzelheiten ich dir erspare, bis auf eine: Wir hatten ein berühmtes Orakel, was bedeutet...«

    »Ich weiß, ich habe in Theaterstücken davon gehört.«
    »Sehr gut – dann brauche ich dir nur noch zu erzählen, dass Pilger über eine Entfernung von vielen Meilen in unsere Stadt kamen, um die Aro-Priester zu
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