Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Conan-Saga 19 - Conan von Aquilonien

Conan-Saga 19 - Conan von Aquilonien

Titel: Conan-Saga 19 - Conan von Aquilonien
Autoren: Robert E. Howard
Vom Netzwerk:
sich auch einer knurrenden Leere bewußt, wo sein Bauch sein sollte. Das Schlimmste aber war, daß er sich verirrt hatte.
    Der weiße Hirsch war geradezu vor ihm dahingeschwebt wie ein gespenstischer Vogel und hatte in der Dunkelheit geschimmert. Er war dem Tier bestimmt ein gutes Dutzendmal in Speerwurfnähe gekommen. Jedesmal, wenn die Besonnenheit Conn zur Umkehr warnte, war der herrliche Hirsch langsamer geworden, ja war fast dahingewankt, und der Schädel mit dem prächtigen Geweih war scheinbar vor Erschöpfung bis zum Boden gehangen, als würde das Tier jeden Augenblick zusammenbrechen. Und jedesmal hatte die Vorstellung, seinem Vater eine so seltene Jagdbeute zurückzubringen, den Jungen aufs neue angespornt, den Hirsch noch ein Stück weiterzuverfolgen.
    Der Junge hielt sein keuchendes Pony mitten zwischen dichten Büschen an und spähte rundum durch die Düsternis. Zweige knarrten, und Blätter wisperten im Wind über ihm; das Laubwerk löschte die Sterne und den Mond aus. Conn hatte weder die geringste Ahnung, wo er sich befand, noch wußte er, in welche Richtung ihn das Tier gelockt hatte. Ihm war nur klar, daß er sich viel weiter von der Jagdgruppe entfernt hatte, als sein Vater ihm erlaubt hatte. Der Junge fröstelte in seinem Lederwams. Er kannte seinen Vater und war überzeugt, daß er seinen schweren Gürtel auf der ohnedies schon arg mitgenommenen Kehrseite zu spüren bekommen würde, wenn er zurückgehinkt kam. Das einzige, was Conans Ärger mildern würde, wäre zweifellos der weiße Hirsch als Conns Jagdbeute.
    Der Junge versuchte Erschöpfung und Hunger abzuschütteln und schob entschlossen das Kinn vor. In diesem Augenblick hatte er eine erstaunliche Ähnlichkeit mit seinem mächtigen Vater: die gleichen finster zusammengezogenen Brauen, das gleiche dicke schwarze, geradegeschnittene Haar, die gleichen wie Gletschereis funkelnden Augen, die breiten Schultern, der kräftige Brustkasten. Schon mit seinen zwölf Jahren sah er aus, als würde er als Erwachsener die riesenhafte Statur seines Vaters haben, denn bereits jetzt war er größer als so mancher Aquilonier in Conans Gefolge.
    »Weiter, Marduk!« Er drückte seinem schwarzen Pony die Fersen in die Rippen. Sie bahnten sich einen Weg durch die nassen Büsche, hinaus auf eine grasige Lichtung. Beim Erreichen sah Conn etwas schimmernd Weißes im Halbdunkel. Der große weiße Hirsch schien in einem mühelosen Sprung aus der Dunkelheit geradezu auf die Lichtung zu schweben. Des Jungen Brust schwoll, und sein Herz schlug vor Jagdfieber schneller. Die beschlagenen Hufe trommelten durch das raschelnde Gras. Gespenstisch weiß gegen die nasse Dunkelheit sprang der Hirsch grazil über sturmgeknickte Baumstämme zur gegenüberliegenden Lichtungsseite, und der Prinz stürmte aufgeregt hinter ihm her.
    Conn lehnte sich über den Hals des Ponys, während seine kräftige Rechte den leichten Wurfspeer umklammerte. Wie ein glimmendes Irrlicht tanzte der weiße Hirsch vor ihm, und vor dem Tier erhob sich ein Wall aus dichten Bäumen. Conns Herz pochte heftig. Der Hirsch mußte seine Geschwindigkeit dämmen, wollte er nicht gegen diese Barriere prallen.
    Im nächsten Augenblick – noch während er den Arm zum Wurf schwang – geschah es. Der Hirsch löste sich zu Dunst auf, und dieser Dunst formte sich zu einer hageren, hochgewachsenen Gestalt in weißen Gewändern: eine Frau, dem wallenden eisengrauen Haar nach zu schließen, das ein maskenhaftes, knochiges Gesicht umrahmte.
    Schrecken erfüllte Conn. Das Pony bäumte sich auf, rollte die Augen und wieherte schrill, ehe es die Vorderbeine wieder auf den Boden setzte und zitternd reglos stehenblieb. Conn starrte in die kalten, katzengrünen Augen der Frau vor ihm.
    Eine beklemmende Stille setzte ein, in der Conn sich seiner zitternden Hände, des hämmernden Herzens und des sauren Geschmacks in seinem trockenen Mund bewußt wurde. War es Angst, das er empfand? Wer war diese Geisterfrau, daß sie den Sohn Conans des Eroberers das Fürchten lehrte?
    Mit ungeheuerlicher Willenskraft klammerte der Junge die zitternden Finger fester um den Schaft des Wurfspeers. Ob Geist, Hexe oder Werfrau, der Sohn Conans würde keine Furcht zeigen!
    Augen von leuchtendem Grün lächelten mit kaltem Hohn in die wild funkelnden, gletscherblauen, die denen des Vaters so ähnlich waren. Mit dürrer Hand winkte die Frau langsam. Blätter raschelten, Zweige knickten.
    Der Junge riß den Kopf herum. Schnell unterdrückter Schrecken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher