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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
Autoren: Nicolas Remin
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anderes übrig blieb,
als für eine geschlossene Unterbringung zu sorgen. Und so, wie
die Dinge lagen, war leider davon auszugehen, dass dem armen
Schwein die Ereignisse dieses Abends den Rest geben
würden.
    Dass er selbst unter
diesen Umständen keinen Appetit mehr auf das kalte
Zitronenzeugs hatte, war nur verständlich. Er stellte die
Schale, aus der er sich kaum bedient hatte, angewidert auf das
Buffet zurück. Ohnehin verstand er nicht, was ihn dazu bewogen
hatte, sich diese gelbe Pampe auf den Teller zu schaufeln.
Halbgefrorenes hatte er schon immer verabscheut.
    Sich dem Burschen,
nachdem er ihn entdeckt hatte, an die Fersen zu heften, war nicht
erforderlich gewesen. Die wenigsten Gäste trugen einen frac, und er würde
seinen Mann mühelos wiederfinden. Auch dass der Mann den Ball
vorzeitig verließ, war nicht zu befürchten. Er
würde auf keinen Fall versäumen, sich nach Mitternacht,
dann selbstverständlich demaskiert, der Gastgeberin zu
präsentieren, um die Glückwünsche seiner
Organisation zu übermitteln. Schließlich bestand der
Sinn dieses Besuches darin — wie sagte man in diesen Kreisen?
—, Flagge zu zeigen.
    Als er den Ballsaal
wieder betrat, war gerade ein Walzer zu Ende gegangen. Die Paare
standen noch einen Moment lang applaudierend auf der
Tanzfläche, bevor sie sich erhitzt zu den Sitzgelegenheiten an
den Wänden der sala begaben. Seinen Mann brauchte er
nicht lange zu suchen. Der hatte ebenfalls getanzt und kam jetzt
zusammen mit seiner Tanzpartnerin von der Tanzfläche. Genau
gesagt, kam er nicht, sondern er torkelte wie
ein Betrunkener, denn der Walzer schien ihm übel mitgespielt
zu haben. Was durchaus verständlich war, denn bei seiner
Tanzpartnerin handelte es sich um niemand anders als um die
ägyptische Königin höchstpersönlich. Im
Gegensatz zu ihrem Tanzpartner schien die Tochter Atons den Walzer
genossen zu haben. Zwar war ihr Kuhgehörn verrutscht, ihre
Falkenfedern zerzaust und die goldene Sonnenscheibe verloren
gegangen, aber das alles schien die Kleopatra nicht zu
kümmern. Sie lachte dröhnend und schlug ihrem Tanzpartner
kameradschaftlich auf die Schulter — so kräftig, dass
diesem die Zunge aus dem Mund schnellte und sein Kopf in den Nacken
geschleudert wurde.
    Da niemand, der seine
Sinne beisammenhatte, sich freiwillig eine solche Tanzpartnerin
aussuchte, war zu vermuten, dass sich hinter der Maske dieser
bizarren Kleopatra irgendein hohes Tier verbarg. Handelte es sich
um Generalleutnant Toggenburg, den Stadtkommandanten? Oder gar um
einen exzentrischen Erzherzog, einen Bruder des Allerhöchsten?
Auszuschließen war dies nicht. Glaubte man den
Gerüchten, dann gab es enge Verbindungen zwischen den Trons
und der kaiserlichen Familie. Angeblich hatte sogar Kaiserin
Elisabeth einmal höchstpersönlich einen Ball der Trons
besucht. 
    Er schritt an der
Längsseite der sala entlang, drängte sich durch
knisternde Seidenroben, kam an erblindeten Spiegeln und vergoldeten
Kandelabern vorbei, aus denen das Wachs der Kerzen herabtropfte.Vor
einem der Fenster zum Canalazzo, ein Glas Conegliano in der Hand,
in das er hin und wieder eine terrakottafarbene Makrone tunkte,
blieb er stehen und sah sich um. Ohne Überraschung stellte er
fest, dass dieses Fest sich wenig von den Maskenbällen
unterschied, wie er sie in den billigen Spelunken der Stadt
kennengelernt hatte. Gewiss - der Rahmen war opulenter, die
Kostümierungen kostspieliger, und an den Wänden
der sala hingen Porträts von Dogen und
Prokuratoren von San Marco. Aber hinter der hochherrschaftlichen
Fassade, den klingenden Namen, herrschte dieselbe brünstige
Lüsternheit wie in den verrauchten Spelunken. Auch im Ballsaal
des Palazzo Tron wurde gegrapscht und getatscht, was das Zeug
hielt, und es wurden dieselben anzüglichen Reden gehalten
— wie jetzt in der Tanzpause, als die Herren hinter ihren
Masken, in denen die Augen wie Quecksilberpunkte blitzten, nach
neuen Tanzpartnerinnen suchten. Dass er selbst bisher noch nicht
zum Tanz aufgefordert worden war, kränkte ihn ein wenig, doch
zugleich begrüßte er es. Denn allzu viel männliche
Aufmerksamkeit und die Notwendigkeit, sie unter diesen
Umständen höflich abzuwehren, hätten zweifellos die
Konzentration auf seine eigentliche Aufgabe behindert.
    Der Mann, dessen
Lebensspanne, ohne dass er selbst es wusste, jetzt rapide ihrem
Ende entgegeneilte, hatte sich ganz in seiner Nähe auf einem
Fauteuil niedergelassen. In der rechten Hand hielt er ein
Likörglas, die
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