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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
Autoren: Nicolas Remin
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de Chambord keinen
dauerhaften Schaden davontragen.
    *
    Als er eine gute halbe
Stunde später in der Gondel saß, konnte er nicht umhin,
die Geschicklichkeit des Gondoliere zu bewundern. Der Nebel war
inzwischen so dicht geworden, dass außer dem kleinen
Lämpchen auf dem ferro der Gondel kaum etwas zu erkennen
war. Der Gondoliere musste sich hart am Rande des Canalazzo halten,
denn seine einzige Orientierung waren die auf der linken Seite der
Gondel aufragenden Palazzi, auf deren Fassade gelegentlich ein
schwacher Lichtschein zu erkennen war. Schließlich tauchte
der durch ein Dutzend Fackeln hell beleuchtete Steg des Palazzo
Tron unvermittelt in der nebligen Dunkelheit auf. Ein letztes
Drehen des Ruders in der     
    forcola bremste die Gondel ab.
Dann schlug der Bug weich an den hölzernen Steg,
und hilfreiche Hände streckten sich ihm
entgegen. 
    Dass der Comte de
Chambord auf der Gästeliste der Trons als Herzog von Berry
geführt wurde — auf der Einladung stand Comte de
Chambord —, verursachte eine kurzfristige Irritation unter
den Lakaien. Er geriete in Schwierigkeiten, wenn man den Conte Tron
nun persönlich zur Aufklärung der Angelegenheit
bemühen würde, aber so weit kam es Gott sei Dank nicht.
Daran, dass der Comte de Chambord - oder der Duc de Berry - als
Signora in einem Abendkleid erschien, nahm niemand
Anstoß.
    Den Ballsaal des
Palazzo Tron betrat er in dem Moment, als von San Stae zehn dumpfe
Glockenschläge durch die nebbia hallten und sich mit dem
Gelächter und dem Klingen der Gläser vermischten. Die
meisten Gäste der Trons schienen bereits gekommen zu sein,
denn die sala, ein länglicher, durch
unzählige Kerzen erleuchteter Raum, war bis zum Bersten
gefüllt. Er roch den Honigduft der Kerzen, ein Gemisch
unzähliger Parfums, den Geruch von feuchter, zerknitterter
Seide. Schwarze Pagen in maurischen Kostümen bewegten sich
zwischen den Gästen und boten Sorbets, Champagner und
Rosenliköre an. Ein bunter Papagei flatterte durch die sala, stieß hin und
wieder verstört auf die Ballgäste herab, wobei er jedes
Mal lautes Gekreische bei den Frauen auslöste. Langsam
weitergehend, stellte er mit Befriedigung fest, dass seine blonden
Haare und sein sinnlicher Mund durchaus reichten, um die
Aufmerksamkeit der Männer zu erregen. Ein maskierter Neptun
mit einem hölzernen Dreizack warf einen lüsternen Blick
auf ihn. Eine dickliche Kleopatra, bei der es sich offenbar um
einen älteren Herrn handelte, zwinkerte ihm anzüglich zu,
als er sich an ihm vorbeidrängte, um zur Stirnseite der sala zu
gelangen. 
    Dort, rechts vom
Orchesterpodium und vor den Fenstern zum Canalazzo, entdeckte er
den am Kopf bandagierten Commissario. Als Gastgeber war der Conte
unmaskiert, und mit seinen ironisch herabgezogenen Mundwinkeln bot
er in der brünstig aufgeladenen Atmosphäre des
Maskenballes ein Bild skeptischer Nüchternheit. Er war in
einen schwarzen Frack gekleidet und stand an der Seite einer
eleganten, weißhaarigen Signora — offenbar die Contessa
Tron, seine Mutter. Neben den Trons plauderte die atemberaubend
aussehende, ebenfalls unmaskierte Fürstin von Montalcino mit
einem jungen Wesen unbestimmten Geschlechts. Die junge Person trug
eine skandalös kurze Tunika, dazu Sandalen mit hohen
Absätzen, was ihre schlanken Beine höchst vorteilhaft zur
Geltung brachte. Ob es sich bei dem Wesen um eine Frau oder einen
Mann handelte, war nicht zu entscheiden. Dann setzte die Musik
wieder ein. Er sah, wie die Paare sich fanden, auf die
Tanzfläche schritten und die ersten, noch zögernden
Schritte machten. Das Orchester spielte Geschichten aus dem Wienerwald
— seinen Lieblingswalzer.
Unwillkürlich wiegte er sich im Dreivierteltakt. Fast hatte er
Lust, selbst zu tanzen.
    Als er sich umdrehte,
entdeckte er den Mann, den er suchte. Er stand, höchstens vier
Schritte von ihm entfernt, hinter einer Pulcinella und einem Domino
und sprach mit einer bizarren Kleopatra, deren dick aufgetragene
Schminke bereits zu verlaufen begann. Offenbar wollte ihn die
ägyptische Königin zum Tanzen auffordern, denn der Mann
schüttelte verlegen lachend den Kopf. Wie erwartet, trug er
einen schlichten Frack. Seine Verkleidung beschränkte sich auf
eine schmale schwarze Maske.
    Merkwürdig,
dachte er, wie leicht und problemlos sich alles auf einmal
fügte. Er fischte ein Glas Champagner vom Tablett eines Mohren
und stürzte das Glas mit einem Schluck hinunter. Der Champagner
war erfrischend und von erstklassiger Qualität. Er
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