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Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels

Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels

Titel: Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels
Autoren: Andrea Camilleri
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unangenehm, Ihnen solche Umstände zu machen.«
    »Ach was! In einer halben Stunde kommt mich jemand abholen. Wollten Sie nicht auch nach Vigàta?«
    »Ja, ich sollte um zehn am Hafen sein, wegen meiner Tante. Dafür bin ich extra aus Palermo gekommen. Aber bei dem Wetter glaub ich nicht … Ich denke, sie wird frühestens am Nachmittag anlegen.«
    »Um zehn Uhr morgens legt aber weder ein Postboot noch eine Fähre an.«
    »Ich weiß, aber meine Tante kommt mit ihrem eigenen Boot.«
    Das Wort »Boot« störte ihn. Wenn heutzutage jemand sagt: »Komm, ich zeig dir mein Boot«, dann stehst du plötzlich vor einer vierzig Meter langen Yacht.
    »Mit einem Ruderboot?«, fragte er mit Unschuldsmiene.
    Sie merkte nicht, dass er sie auf den Arm nahm.
    »Es ist ein Boot mit einem Kapitän und vier Mann Besatzung. Sie ist ständig unterwegs damit. Allein. Ich hab sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Wo fährt sie denn hin?«
    »Nirgendwohin.«
    »Ich versteh nicht.«
    »Meine Tante ist einfach gern auf See. Sie kann es sich leisten, weil sie steinreich ist. Onkel Arturo hat ihr ein großes Vermögen hinterlassen und dazu einen tunesischen Diener, Zizì.«
    »Und mit dieser Erbschaft hat Ihre Tante sich das Boot gekauft.«
    »Das Boot hatte Onkel Arturo schon, er war auch die ganze Zeit auf See. Er hat nicht gearbeitet, hatte aber jede Menge Kohle. Keiner wusste, wie er zu dem ganzen Geld kam. Angeblich war er der Geschäftspartner eines Bankiers, eines gewissen Ricca.«
    »Und Sie, was machen Sie, wenn ich fragen darf?«
    »Ich?«
    Sie zögerte einen Moment, als müsse sie zwischen zahllosen Beschäftigungen wählen.
    »Ich studiere.«
    In der folgenden halben Stunde erfuhr Montalbano, dass sie in Palermo lebte und Vollwaise war, Architektur studierte, keinen Freund hatte und sich, da sie nun wirklich keine Schönheit war, auch keine großen Hoffnungen machte, je einen Partner zu finden. Er erfuhr, dass sie gern las und Musik hörte, kein Parfüm benutzte, zusammen mit ihrem Kater Eleuterio in einer Eigentumswohnung lebte und lieber ins Kino ging, als zu Hause vor der Glotze zu sitzen. Doch plötzlich unterbrach sie sich, schaute den Commissario an und sagte:
    »Danke.«
    »Wofür?«
    »Dass Sie mir zugehört haben. Wissen Sie, es passiert nicht oft, dass mir ein Mann so lange zuhört.«
    In Montalbano regte sich fast ein wenig Mitleid mit ihr.
    Da kam auch schon Gallo an.
    »Die Straße ist immer noch gesperrt, aber Feuerwehr und Verkehrspolizei sind eingetroffen. Trotzdem wird es noch Stunden dauern.«
    Vanna stand auf.
    »Ich zieh mich schnell um.«
    Der Regen war noch stärker geworden. Gallo fuhr Richtung Montereale, bog an der Kreuzung nach Montelusa ab, und eine gute halbe Stunde später waren sie in Vigàta.
    »Wir bringen die Signorina noch zur Hafenmeisterei.«
    Als Gallo anhielt, sagte Montalbano zu Vanna:
    »Fragen Sie mal, ob die irgendwas wissen. Wir warten auf Sie.«
    Zehn Minuten später kam Vanna zurück.
    »Meine Tante hat durchgegeben, dass sie langsam vorankommen, aber keine Hilfe brauchen. Gegen vier Uhr Nachmittag werden sie einlaufen.«
    »Und was wollen Sie so lange machen?«
    »Was soll ich schon machen? Ich warte.«
    »Und wo?«
    »Ach, keine Ahnung, ich kenne mich hier nicht aus. Ich setze mich in ein Café.«
    »Warum kommen Sie nicht mit ins Kommissariat? Dort haben Sie es bestimmt gemütlicher als in einem Café.«
    Im Kommissariat gab es ein kleines Wartezimmer. Montalbano führte sie hinein und brachte ihr das Buch, das er sich tags zuvor gekauft hatte, einen Roman mit dem Titel Die Einsamkeit der Primzahlen.
    »Super! Das Buch wollte ich mir auch kaufen. Ich habe gehört, es soll sehr gut sein.«
    »Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich an Catarella, den Telefonisten.«
    »Danke. Sie sind wirklich sehr …«
    »Wie heißt das Boot Ihrer Tante?«
    »So wie ich. Vanna. «
    Bevor er ging, musterte er sie. Sie war nach wie vor nass wie ein Pudel, ihre Sachen waren immer noch nicht ganz trocken und völlig zerknittert, ihr schwarzer Haarknoten hatte sich gelöst, und einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Wie sie so dasaß, fühlte sich Montalbano an gewisse Flüchtlinge erinnert, die auf ihrem Stuhl sitzen, als wollten sie jeden Moment wieder aufspringen oder als wären sie fest entschlossen, ihn nicht wieder herzugeben.
    Er ging zu Catarella.
    »Ruf in der Hafenmeisterei an. Sobald sich die Vanna wieder meldet, sollen sie mir Bescheid geben.«
    Catarella sah ihn entgeistert
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