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Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Titel: Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Autoren: Andrea Camilleri
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Spaziergang. Dann kehrte er wieder ins Kommissariat zurück und rief den Polizeipräsidenten an. »Montalbano hier. Zu Ihren Diensten.«
    »Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen!«
    »Wieso? Was hab ich gemacht?«
    »Sie haben gesagt: zu Ihren Diensten.«
    »Was hätte ich sonst sagen sollen?«
    »Es geht nicht ums Sagen, sondern ums Tun. Selbstverständlich ist es Ihre Pflicht, mir zu Diensten zu sein, aber ich wage nicht einmal daran zu denken, auf welche Art und Weise Sie diese Dienste für mich ausführen!«
    «Signor Questore, ich würde mir niemals erlauben, sie in der Art und Weise auszuführen, die Sie vermuten.«
    »Na, lassen wir das besser, Montalbano. Welchen Abschluss hat die Sache mit diesem Piccolo gefunden?« Montalbano war völlig verdattert. Piccolo? Was denn für ein Kleiner? Über welchen Jungen redete der? »Hören Sie, Signor Questore, über diesen Jungen weiß ich…«
    »Herrgott noch mal, Montalbano! Was heißt denn hier Junge! Giulio Piccolo ist mindestens sechzig Jahre alt! Hören Sie mir jetzt aufmerksam zu, Montalbano, und betrachten Sie meine Worte als ein Ultimatum: Ich verlange eine ausführliche, schriftlich abgefasste Antwort, und zwar bis morgen früh.«
    Er legte wieder auf. Mit Sicherheit war die Akte, die diesen Giulio Piccolo betraf, an den er sich weniger als gar nicht erinnern konnte, unter diesem Berg von Papieren vor ihm begraben. Hatte er den Mut, daran zu rühren? Ganz langsam streckte er einen Arm aus, um dann mit einem blitzschnellen finalen Zugriff nach der obersten Akte zu fassen, so wie man ein giftiges Tier gepackt hätte, das einen womöglich beißen könnte. Er öffnete sie und war sprachlos. Es war der Vorgang Giulio Piccolo. Er hatte Lust, sich auf die Knie zu werfen und dem heiligen Antonius zu danken, der ganz fraglos dieses Wunder vollbracht hatte. Er öffnete die Akte und fing an zu lesen. Signor Piccolos Tuchgeschäft war abgefackelt worden. Die Feuerwehrleute waren zu dem Schluss gekommen, dass es sich um Brandstiftung handelte. Signor Piccolo hatte erklärt, dass das Geschäft in Brand gesetzt worden sei, weil er das Schutzgeld nicht bezahlen wollte. Die Polizei dagegen war der Meinung, dass Piccolo selbst das Geschäft angezündet habe, und zwar wegen der Versicherung. Und dann gab es da noch etwas, das nicht stimmig war. Giulio Piccolo war in Licata geboren, hatte seinen Wohnsitz in Licata, das Geschäft lag in der Hauptstraße von Licata. Wieso wandten sie sich denn dann nicht an das Kommissariat in Licata statt an seins? Die Antwort war einfach: weil sie in der Questura von Montelusa Licata mit Vigata verwechselt hatten. Er nahm den Kugelschreiber und schrieb auf ein Blatt Papier mit Briefkopf: »Hochwerter Signor Questore, Vigàta ist Licata nicht und Licata nicht Vigàta, der Irrtum für sich selber spricht. Diesen Dienst habe ich nicht wider besseres Wissen nicht ausgeführt, sondern aus Hochachtung vor der Geografie.«
    Er unterschrieb und setzte einen Stempel darunter. Die Bürokratie hatte in ihm eine tief verborgene poetische Ader zum Vorschein gebracht. Die Verse holperten zwar, das stimmte, aber Bonetti-Alderighi würde die Reimform ja ohnehin nicht bemerken. Er rief Catarella, übergab ihm die Akte Piccolo und den Brief und sagte ihm, er solle beides an den Questore weiterleiten, nachdem er es ordnungsgemäß registriert habe.

Zwei
    Kurz nachdem Catarella gegangen war, erschien in der Tür Mimi Augello, der von der Müllkippe zurück war. Er war nervös.
    »Komm rein. Habt ihr alles geschafft?«
    »Ja.«
    Er setzte sich auf die vordere Stuhlkante. »Was ist mit dir, Mimi?«
    »Ich muss dringend nach Hause, auf dem Weg hierher hat Beba angerufen, sie braucht mich, weil Salvuzzo weint, er hat Bauchweh, und sie kriegt ihn nicht beruhigt.«
    »Hat er das oft?«
    »Oft genug, um einem die Eier zum Dampfen zu bringen.«
    »Hört sich nicht gerade nach einem besorgten Vater an.«
    »Wenn du so einen Quälgeist hättest wie meinen, würdest du ihn im hohen Bogen aus dem Fenster werfen.«
    »Aber wäre es nicht besser, wenn Beba statt dir einen Arzt kommen lassen würde?«
    »Sicherlich. Aber wenn Beba mich nicht an ihrer Seite hat, tut sie keinen Schritt, sie ist unfähig, irgendetwas allein zu entscheiden.«
    »Na gut. Sag mir, was du mir zu sagen hast, und dann ab nach Hause.«
    »Es ist mir gelungen, ein bisschen mit Pasquano zu plaudern.«
    »Hat er dir irgendwas gesagt?«
    »Du weißt doch, wie er ist. Man hat immer das Gefühl, er nimmt
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