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Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx

Titel: Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Autoren: Andrea Camilleri
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entzieht.«
    Während er wieder nach Vigàta hinunterfuhr, bemerkte er, dass sich einer jener unglaublich schönen Sonnenuntergänge ankündigte, die völlig künstlich aussehen oder wie auf einer Ansichtskarte.
    Er würde nach Marinella fahren, um ihn von der Veranda aus zu genießen, statt ins Büro zurückzukehren. Und hatte der Fischer nicht vorhergesagt, dass es eine Woche lang regnen sollte? Also musste man dieses letzte Angebot der Saison doch ausnutzen.
    Aber vielleicht war es doch besser, vorher noch mal beim Kommissariat vorbeizufahren, den Kopf reinzustecken und Catarella Bescheid zu sagen, ehe er abrauschte. Was sich als absolute Fehlentscheidung erwies. »Ah, Dottori, Dottori! Signora Picarella ist da!«
    »Am Telefon?«
    »Nicht doch am Telefon! Hier ist sie, Dottori! Sie wartet auf Sie!«
    »Sag ihr, ich hätte gerade angerufen und käme nicht ins Büro.«
    »Hab ich ihr doch gesagt, Dottori! Ganz von selber bin ich draufgekommen und hab's ihr gesagt! Aber sie hat nur geantwortet, sie würde bis morgen früh nicht von hier weggehen, so lange nicht, bis Sie wieder herkommen!« Ach, was für ein Theater, was für ein verfluchtes Affentheater!
    »Also gut. Wir machen Folgendes: Ich gehe in mein Büro, und du schickst sie in fünf Minuten rein.« Die Sache mit der Entführung von Arturo Picarella hatte eine Woche zuvor ihren Anfang genommen. Picarella war ein fünfzigjähriger Mann, ein reicher Kaufmann, der einen Holzgroßhandel betrieb und sich am Ortsrand eine hübsche kleine zweigeschossige Villa hatte bauen lassen. Dort wohnte er mit seiner Frau Ciccina, die im ganzen Ort für ihre furiosen, nicht selten in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Eifersuchtsszenen bekannt war, die sie ihrem Mann machte, der wiederum nicht minder bekannt war für seine unstillbare Gier nach Frauen. Ihr gemeinsamer Sohn, Kassierer in einer Bank in Canicatti und verheiratet, hielt Distanz zu seinen Eltern. Wenn es hochkam, tauchte er einmal im Monat in Vigàta auf. Eines Nachts gegen ein Uhr waren die Eheleute von einem Geräusch aufgewacht, das aus dem Erdgeschoss kam. Zunächst waren Schritte zu vernehmen gewesen, dann hörten sie, wie ein Stuhl umfiel. Ganz sicher waren dort Einbrecher zugange.
    Picarella befahl also seiner Frau, liegen zu bleiben, und zog sich vollständig an, einschließlich Jacke und Schuhen. Daraufhin bewaffnete er sich mit dem Revolver, den er in der Nachttischschublade aufbewahrte, stieg ins Erdgeschoss hinunter und fing gleich an, blindlings um sich zu schießen, vielleicht um das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Notwehr unverzüglich umzusetzen.
    Nach einer Weile hörte die völlig entsetzte Signora Ciccina, wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Da stand sie auf, lief ans Fenster und sah, wie ihr Mann von einer vermummten Person, die einen Revolver auf ihn gerichtet hielt, gezwungen wurde, mit erhobenen Händen in sein eigenes Auto zu steigen. Das Auto fuhr weg, und von diesem Augenblick an war Arturo Picarella verschwunden.
    So weit das Geschehen, wie es sich nach dem aufgeregten Bericht von Signora Ciccina darstellte. Hinzugefügt werden muss, dass mit Picarella auch fünfhunderttausend Euro verschwunden waren, die der Kaufmann noch am Tag vor seiner Entführung von der Bank abgehoben hatte, weil er ein Geschäft zum Abschluss bringen musste, über das niemand etwas wusste. Von diesem Augenblick an verging kein Morgen und kein Abend, an dem Signora Picarella nicht im Kommissariat vorstellig geworden wäre und mit von Mal zu Mal wachsender Wut Neuigkeiten über ihren Mann zu erfahren verlangte. Der Entführer hatte sich nie gemeldet, um ein Lösegeld zu fordern, und auch Picarellas Wagen blieb unauffindbar. Doch Mimi Augello und Fazio, die mit den Ermittlungen beauftragt waren, hatten unverzüglich eine andere und sehr präzise Vorstellung davon entwickelt, wie sich die Entführung in Wirklichkeit abgespielt hatte.
    So hatten sie auf den ersten Blick festgestellt, dass Picarella darum bemüht gewesen war, das ganze Magazin leer zu schießen, dabei aber in Richtung Decke gezielt hatte, die nun schlimmer als ein Nudelsieb aussah. Und der Dieb, der ja offensichtlich unbewaffnet war, weil er das Feuer nicht erwidert hatte, reagierte darauf, indem er, statt zu fliehen, die Waffe in seinen Besitz brachte. Außerdem wies die Haustür keine Spuren gewaltsamen Öffnens auf, ebenso wenig wie die Tür des Safes, der sich hinter einem Foto des Urgroßvaters Filippo Picarella befand, des
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