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Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Titel: Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
Autoren: Andrea Camilleri
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nicht mehr länger aushalten konnte und gleich vor Lachen platzen würde.
    »Aber da kommt doch angesichts der Stellung der Frau gar nichts anderes infrage!«, sagte Tommaseo.
    »Allerdings sind wir ja nicht sicher, ob das ihre Stellung war.«
    »Aber Sie selber haben doch gerade noch …«
    »Schauen Sie, Dottor Tommaseo, die Frau kann sich durchaus rittlings auf den Mann gesetzt haben, aber wir wissen doch nicht, wie, ob frontal oder mit dem Rücken zu ihm.«
    »Das stimmt.«
    »In diesem zweiten Fall hätte sie dem Opfer nicht in die Augen schauen können, ist es nicht so? Und außerdem, in dieser Stellung hatte der Mann doch die Qual der Wahl. Wie auch immer, ich gehe jetzt. Buonanotte. Ich informiere Sie beide.«
    »Nein, nicht doch! Sie müssen das erst noch genauer erklären! Was heißt Qual der Wahl?«, fragte ihn Tommaseo und lief ihm hinterher.
    Sie verschwanden im Dunkel. Montalbano ging zu Fazio hinüber.
    »Hat sich die Spurensicherung verirrt?«
    »Sie sind auf dem Weg.«
    »Hör zu, ich fahre nach Marinella. Du bleibst hier. Wir sehen uns morgen im Büro.«
    Er kam gerade noch rechtzeitig zu den letzten Lokalnachrichten im Fernsehen. Natürlich wusste noch keiner etwas über den Tod von Angelo Pardo. Doch die beiden Sender, »Televigata« und »Retelibera«, sprachen weiterhin von einem anderen Tod, und der war wirklich eccellente, »von hohem Rang«.
    Gegen acht Uhr am Abend zuvor, Mittwoch, war der ehrenwerte Abgeordnete Armando Riccobono zu seinem Parteikollegen, Senator Stefano Nicotra, gefahren, um ihm einen Besuch abzustatten. Der Senator befand sich seit fünf Tagen in seinem Haus auf dem Land zwischen Vigàta und Montereale, um sich nach einer Phase intensiver politischer Tätigkeit ein bisschen Ruhe zu gönnen. Sie hatten sich Sonntagmorgen am Telefon gesprochen und sich für Mittwochabend verabredet. Senator Nicotra war Vigàtiner, siebzig Jahre alt, Witwer und kinderlos. Er galt als lokale und vaterländische Berühmtheit. Er war einmal Landwirtschaftsminister und zweimal Staatssekretär gewesen. Mit großer Geschicklichkeit hatte er sich zwischen allen Strudeln der alten Democrazia cristiana durchmanövriert, und es war ihm gelungen, sogar bei furchtbarsten Stürmen oben zu schwimmen. Während des Schreckensorkans der Mani pulite hatte er sich in ein Unterseeboot verwandelt und von seinem Beobachtungsposten in der Tiefe aus navigiert. Er tauchte erst wieder auf, als sich ihm die Möglichkeit bot, den Anker in einem sicheren Hafen zu werfen: nämlich dem eines ehemaligen Mailänder Baulöwen, der dann Eigentümer der drei größten Privatsender Italiens wurde, später Abgeordneter als Chef einer persönlichen Partei und schließlich Premierminister. Mit Nicotra waren noch andere Überlebende des großen Schiffbruchs dahin übergewechselt: Armando Riccobono war einer von ihnen.
    An der Villa angekommen, hatte der ehrenwerte Abgeordnete lange an die Tür geklopft, doch ohne jede Antwort. Und weil er wusste, dass der Senator allein lebte, machte er besorgt einen Gang um das Haus und sah durch ein Fenster seinen Freund am Boden liegen, entweder ohnmächtig oder tot. Angesichts seines Alters war es ihm aber nicht möglich, durch das Fenster zu steigen und ins Haus zu gelangen, und so hatte er über sein Handy Hilfe herbeigerufen.
    Um es kurz zu machen, Senator Nicotra war, wie man im journalistischen Jargon sagt, »von einem Infarkt dahingerafft« worden, und zwar am Abend eben jenes Sonntags, an dem er mit dem ehrenwerten Abgeordneten Riccobono gesprochen hatte. Niemand hatte ihn besucht, weder am Montag noch am Dienstag: Er selbst hatte noch zu seinem Sekretär gesagt, dass er ganz ungestört bleiben wolle und auf jeden Fall den Telefonstecker herausziehen werde. Sofern er irgendetwas brauche, würde er sich melden.
    »Televigata« erklärte durch das Hühnerarschmaul seines politischen Kommentators Pippo Ragonese der Stadt und dem Erdkreis, wie ungeheuer groß die Betroffenheit über die Nachricht vom Dahinscheiden dieses bedeutenden Politikers in ganz Italien gewesen sei. Der Regierungschef - der gleiche, in dessen Partei der Senator mit Waffen und Koffer eingetreten war - habe der Familie ein Beileidstelegramm übersandt. »Welcher Familie denn?«
    Es war allgemein bekannt, dass der Senator keine Familie hatte. Und es wäre des Guten zu viel gewesen anzunehmen, ja, es war rundheraus auszuschließen, dass der Regierungschef ein Beileidstelegramm an die Mafiosifamilie der Sinagras geschickt
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