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Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Titel: Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
Autoren: Andrea Camilleri
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Fingerbreit unter den Stiefelrand. Jetzt stand er vor dem ersten der Faraglioni in Kleinformat, die den winzigen Hafen bildeten, der Felsen wuchs praktisch aus der Wand heraus. Montalbano steckte die Drahtschere in den Gürtel und tastete mit der Hand den Stein ab, bis er zwei Stellen fand, an denen er sich festhalten konnte. Er zog sich mit den Händen hoch.
    Die griffigen Gummisohlen erleichterten das Klettern. Er rutschte nur einmal aus und konnte sich mit einer Hand gerade noch festhalten. Wie eine Krabbe hangelte er sich bis zu dem Metallzaun. Mit der Drahtschere zwickte er unten rechts den ersten Draht durch. Das trockene metallische Pling knallte in der Stille wie ein Revolverschuss, zumindest hörte es sich für ihn so an. Er war wie gelähmt und traute sich nicht, auch nur einen Finger zu bewegen.
    Nichts passierte, niemand schrie, niemand rannte herbei.
    Und Pling für Pling, wobei er zwischen einem Pling und dem nächsten vorsichtshalber eine Weile wartete, hatte er es nach einer halben Stunde geschafft, alle Drähte des Zauns durchzuschneiden, der mit den in die Felswand einbetonierten Eisenpfosten verschweißt war. Nur oben schnitt er zwei Drähte nicht durch, einen rechts und einen links, denn sie hielten den Zaun aufrecht und vermittelten den Eindruck, er sei intakt. Die würde er zu gegebener Zeit durchtrennen. Jetzt musste er schleunigst verschwinden.
    Er legte die Schere unter den Zaun, klammerte sich mit beiden Händen an der Felskante fest, streckte sich und tastete mit den Füßen nach einem Halt. Er glaubte einen gefunden zu haben, schob die Stiefelspitzen hinein und ließ die Kante los. Das war ein Fehler. Die Trittstelle war nicht tief genug und hielt sein Gewicht nicht. Montalbano rutschte ab und versuchte sich festzukrallen, um die Rutschpartie zu stoppen. Er kam sich vor wie Kater Sylvester bei einem seiner besten komischen Auftritte. Er schürfte sich die Hände auf und plumpste geradewegs in den Graben. Warum funktionierte das aristotelische, halt nein, das archimedische Prinzip nicht? Es besagt, dass die Auftriebskraft eines in Flüssigkeit getauchten Körpers der von ihm verdrängten Flüssigkeitsmenge entspricht. War doch so, oder? Montalbano hatte allerdings überhaupt keinen Auftrieb, Auftrieb hatte nur das Wasser, das wie eine Fontäne in die Höhe schoss, wieder zurückfiel, in seine Stiefel drang, ihm fröhlich um die Eier schwappte, seinen Pullover einsuppte. Obendrein hörte sich für ihn der Sturz an, als ob ein Wal gestrandet wäre. Er lauschte, wieder nichts, weder Stimmen noch Geräusche. Bei dem aufgewühlten Meer hatte der Wächter vielleicht gedacht, eine besonders kräftige Welle sei gegen die Felsen geklatscht. Montalbano kletterte aus dem Graben und legte sich in den Sand.
    Und was sollte er jetzt tun? Von Null bis eine Milliarde zählen? Alle Gedichte, die er kannte, auswendig aufsagen? Alle erdenklichen Möglichkeiten der Zubereitung von Meerbarben durchgehen? Langsam mal überlegen, wie er gegenüber dem Polizeipräsidenten und dem Staatsanwalt rechtfertigen könnte, warum er in dieser Angelegenheit auf eigene Faust, ohne »allergnädigste Erlaubnis der Oberen«, tätig geworden war? Plötzlich spürte er einen heftigen Niesreiz, er versuchte vergeblich, ihn zu bezwingen, und drückte die Nasenflügel mit den Fingern zusammen, um das Getöse noch in der Nase zu stoppen. Die Gummistiefel fühlten sich an, als wenn in jedem ein halber Liter Wasser wäre. So ein blöder Schnupfen hatte ihm gerade noch gefehlt! Jetzt fing Montalbano auch noch an zu frösteln. Er stand auf und lief ganz nah an der Wand entlang, dann würden ihn am nächsten Tag eben Kreuzschmerzen plagen. Nach hundert Schritten machte er kehrt. Am Graben drehte er wieder um und marschierte zurück. Ein dutzend Mal lief er hin und her. Von wegen frösteln! Jetzt schwitzte er. Er beschloss, sich ein bisschen auszuruhen, und setzte sich auf den Boden. Dann legte er sich richtig hin. Nach einer halben Stunde befiel ihn eine penetrante Schläfrigkeit. Er schloss die Augen und machte sie - wie viel später wusste er nicht -, gestört durch das Brummen einer Schmeißfliege, wieder auf.
    Schmeißfliege?! Das Schlauchboot kam zurück! Blitzschnell rollte er sich Richtung Graben, stieg hinein und ging in die Hocke. Aus dem Brummen wurde Lärm, aus dem seinerseits ein Dröhnen wurde, als das Schlauchboot auf den Hafen zusteuerte. Dann brach das Dröhnen ab, anscheinend nutzte das Boot die Fahrt, um durch den Kanal
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