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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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auf der
    Fußmatte abzulegen, denn dort, wohin es einen
    verschlagen hat, sollte man sich gefälligst ducken.
    Als jemand, der diese Spielchen kennt, lasse ich,
    kaum habe ich den Vorraum der Délégation betre-
    ten, mit stoischem Gleichmut die Arroganz der
    Türsteher, das Mißtrauen der Sicherheitsdienstler,
    die Verachtung der Unter-Unter-Untergebenen
    über mich ergehen.
    Nachdem sie mich gründlich durchgecheckt ha-
    ben, schubsen sie mich in eine Art Verlies und ü-
    berlassen mich stundenlang mir selbst, ohne eine
    Tasse Kaffee, ohne jeden Kommentar. Nicht ein-
    mal einen Aschenbecher gibt es, um sich wenigs-
    tens am Glimmstengel festzuhalten. Der Verschlag
    ist gerade mal zwei Quadratmeter groß, trübselig,
    grau, mit niedriger Decke und fensterlos: ideal, um bei einem Tier einen Koller auszulösen, bis es vor
    Erschöpfung tot zusammenbricht.
    24
    Der Herr Kabinettsdirektor entsinnt sich erst
    dann meines Martyriums, als ich schon anfange,
    wie ein Ragout in meiner Nachtwächterjacke vor
    mich hin zu schmoren.
    „Hier entlang, Monsieur Llob“, bittet mich ein
    Sekretär mit der zuvorkommenden Höflichkeit des
    Scharfrichters, der dem Schelm den Weg zum
    Schafott weist.
    Eine turmhohe Tür geht auf und gibt den Blick
    frei auf einen riesigen Saal, der nur so starrt vor Trophäen, Wappen und Monumentalgemälden.
    Eine Falltür, unter der mein Verderben klafft. So
    kommt mir das vor. Fast hätte ich mir den Knöchel
    auf dem Teppich verstaucht. Nicht wegen der ge-
    stampften Erde, die ich tagaus tagein unter meinen
    Füßen habe, sondern einfach, weil ich mich nie-
    mals an die sumpfigen Gefilde in dieser Höhenlage
    werde gewöhnen können.
    Monsieur Slimane Houbel thront inmitten seiner
    Kommandozentrale, umgeben von Telefonschnick-
    schnack, Glückwunschkarten und angeberischen
    Aktenbergen – man muß die Besucher doch glau-
    ben machen, daß ein hoher Beamter bis zum Hals
    in Arbeit versinkt und nicht so hopplahopp wieder
    daraus auftauchen kann.
    Er lockert seinen Krawattenknoten, breitet seine
    Geierflügel aus und versinkt für einen Moment in
    Meditation – ein Gott, der nicht versteht, warum
    die Welt, die er geschaffen hat, ihm plötzlich ent-
    gleitet.

    25
    Mit mir ist gar nichts los. Immer, wenn ich vor
    einem Vorgesetzten stehe, befällt mich das fatale
    Gefühl, etwas Schreckliches angestellt zu haben.
    Trotz meiner unterm Strich untadeligen Reputation
    beschleicht mich ein vages Schuldbewußtsein, und
    ich ertappe mich dabei, wie ich den Kopf einziehe,
    mich geradezu demütig aufführe.
    Monsieur Houbel liest in meinem Blick, wie ich
    mich innerlich vor ihm ducke, fühlt sich ermutigt
    und schiebt mir, statt mir erstmal einen Platz anzu-bieten, sofort ein Buch zu.
    „Was soll das sein, Kommissar?“
    Ich schlucke, aber der Kloß in meinem Hals löst
    sich nicht auf. Nach einer titanischen Anstrengung
    höre ich mich hervorpressen: „Ein Buch.“
    „Diese Fäkalie nennen Sie Buch?“
    Jetzt spielt mein Adamsapfel verrückt. Er setzt
    sich auf Höhe meines Gaumens fest und bleibt stur
    da stecken.
    Slimane Houbel fletscht die Zähne mit der
    Schamlosigkeit eines Esels, der den Schwanz hebt.
    Er mustert mich eingehend von Kopf bis Fuß, un-
    schlüssig, ob er mich anspucken oder einen Scheu-
    erlappen aus mir machen soll.
    „Halten Sie sich denn tatsächlich für einen
    Schriftsteller, Monsieur Llob?“
    Mit sorgfältig manikürtem spitzen Finger stößt er
    mein Opus* [* „Morituri“, dt. im Haymon-Verlag, 1999]
    von sich, als handle es sich um Unrat: „Dieses gro-
    teske Machwerk hat nicht seinesgleichen, es sei
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    denn die Niedertracht seines Verfassers. Sie versu-
    chen die Gesellschaft, in der Sie leben, bloßzustellen und haben sich dabei doch nur selbst blamiert
    und den letzten Rest Wertschätzung, den ich für
    Sie noch zu haben glaubte, mit Erfolg vernichtet.“
    „Monsieur …“
    „Ruhe!“
    Ein Spritzer Spucke landet dicht unter meinem
    Auge.
    Er erhebt sich. Seine wohlgenährte Statur über-
    ragt mich bei weitem, läßt mich in seinem Schatten
    verschwinden. Er ist der Boß. Und bei uns hat
    Macht nichts mit Kompetenz zu tun. Ihre Stärke
    liegt in der Bedrohung, die von ihr ausgehen kann.
    Zu seiner Linken blinkt ein Licht. Er drückt auf
    einen Knopf und wiehert ins Mikro: „Ich bin für
    niemanden zu sprechen, Lyès. Nicht einmal für den
    Raïs* [* Staatspräsident] .“
    So einfach ist das!
    Der Boden vibriert, als er um den Schreibtisch
    herumkommt, um mir
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