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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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Analysten als auch für Außenstehende immer undurchsichtiger und verworrener erscheint, je länger er andauert.
    Der Grund dafür liegt unter anderem darin, daß dieser Krieg nur wenige Anhaltspunkte bietet, die eine kohärente Darstellung ermöglichen. So gibt es beispielsweise kein ein-deutiges Ereignis, das den Beginn der Auseinandersetzungen markiert. Der Ausbruch des Krieges erfolgte schrittweise und reicht bis 1988 zurück, als sich im Oktober der aufgestaute Zorn der algerischen Bevölkerung in einem spontanen Aufstand entlud. Auf offener Straße protestierten die Algerier gegen Korruption und Mißwirtschaft des seit der Unabhängigkeit im Jahr 1962 allein regierenden FLN (Front de libé-
    ration nationale – Nationale Befreiungsfront). Das Volk verlangte politische und wirtschaftliche Reformen und for-196
    derte Freiheit und Demokratie.
    Angesichts der massiven Proteste wurde ein Prozeß einge-leitet, der eine Liberalisierung des Parteiensystems nach sich zog und zu einer Legalisierung des bis dahin verbotenen FIS
    (Front islamique du salut – Islamische Heilsfront) führte. Der überlegene Wahlsieg dieser neuen Oppositionspartei bei den Kommunalwahlen des Jahres 1990 und der hohe Stimmenan-teil, den der FIS im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen 1991 für sich verbuchen konnte, brachten die Unzufrieden-heit weiter Bevölkerungskreise mit dem immer noch regierenden FLN und seinem korrupten Beamtenapparat erneut zum Ausdruck.
    In der Folge wurde Präsident Chadli Benjedid am 11. Jänner 1992 von der Armee zum Rücktritt gezwungen und der zweite Wahldurchgang annulliert. Neben den Oktoberauf-ständen des Jahres 1988 markiert dieses Datum einen weiteren Schritt hin zu jener bewaffneten Auseinandersetzung, die bis heute andauert.
    Nach der Übernahme der Macht durch das algerische Militär wurde ein Haut Comité d’Etat (Hohes Staatskomitee) eingesetzt, um die Staatsgeschäfte zu lenken. Mit Mohamed Boudiaf trat ein ehemaliger Befreiungskämpfer im Unabhän-gigkeitskrieg gegen die französische Kolonialmacht und historischer Führer des FLN an die Spitze dieses Komitees, um die dringend notwendigen Reformen im Land einzuleiten.
    Die Ermordung von Mohamed Boudiaf am 29. Juni 1992 in Annaba durch ein Mitglied des Sicherheitsdienstes stürzte das Land endgültig ins Chaos und bildet somit die letzte Etappe auf dem Weg Algeriens in den Bürgerkrieg.
    In den Sommermonaten des Jahres 1992 erschütterte eine erste Welle von Terroranschlägen das Land, die in einen bewaffneten Kampf zwischen verschiedenen militanten Gruppierungen der Fundamentalisten und der Armee mündeten. Unter General Liamine Zéroual, der 1994 zum Staatsprä-
    sidenten ernannt wurde, erreichten der blindwütende Terror und die Kämpfe zwischen den Fundamentalisten und den 197
    Militärs einen weiteren traurigen Höhepunkt. Mit seinem Aufruf zur nationalen Aussöhnung und der Begnadigung Tausender inhaftierter Fundamentalisten ließ der im April 1999 neu gewählte Staatschef Abdelaziz Bouteflika Hoffnung auf eine Aussöhnung aufkommen. Die Terroranschläge in der ersten Hälfte des Jahres 2001 machten diese Hoffnungen aber weitgehend zunichte.
    Die Tatsache, daß sich die Fronten zwischen der algerischen Regierung und den Militärs auf der einen Seite und den fundamentalistischen Gruppierungen auf der anderen Seite im Laufe des Konflikts mehr und mehr verwischt haben und es sich auch nicht um einen „klassischen“ Bürgerkrieg handelt, in dem sich zwei Interessensgruppen oder deren organi-sierte Armeen gegenüberstehen, macht eine Einschätzung der Situation sehr schwierig. Wie bei vielen innerstaatlichen Auseinandersetzungen sind auch in diesen verworrenen Krieg zwischen den algerischen Militärs und den Fundamentalisten zahlreiche andere Konflikte verwoben, ohne deren Kenntnis eine umfassende Beurteilung der Lage unmöglich ist und die die Gesamtsituation noch undurchsichtiger erscheinen lassen: So spielen bei den kriegerischen Auseinandersetzungen Machtkämpfe unterschiedlicher Clans eine wesentliche Rolle; weiters wird der Krieg maßgeblich von wirtschaftlichen Interessen mitbestimmt, vor allem von jenen der großen Konzer-ne, die die Erdölförderung im Süden des Landes kontrollie-ren; schließlich spiegelt sich im Konflikt auch die lange Geschichte eines Landes, die von Gewalt gekennzeichnet ist.
    Hinzu kommt, daß sich in Algerien im Verlauf vieler Jahre eine mächtige Finanzmafia durch Korruption und Gewinne im Erdölgeschäft ein
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