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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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Abenden blieb
    der Nation weiter nichts übrig als blindlings
    draufloszuzappen, auf die Gefahr hin, daß der
    Fernseher explodierte. Wer keine Satellitenschüs-
    sel hatte, machte kurzen Prozeß und schaltete aus.
    Und als er dann fürs Parlament kandidierte, stimm-
    ten alle Leute für ihn. Sie hatten keine andere
    Wahl. Es war das einzige Mittel, ihn davon abzu-

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    halten, ihnen weiterhin ihren Fernsehabend zu
    versauen. Aber der Abgeordnete Laouedj hat nicht
    lange gebraucht, bis er wieder auf dem Bildschirm
    auftauchte. Nach knapp einem Jahr stand er fünf
    staatlichen Ausschüssen vor, bis er über eine
    schmutzige Korruptionsaffäre im Zusammenhang
    mit der Veruntreuung von Volkseigentum stolper-
    te. Die Presse hat sich mit dem Mut der Meute auf
    ihn gestürzt und ihn wochenlang auf die Titelseite
    gezerrt. Der Ärmste hat sich von Prozeß zu Prozeß
    geschleppt, von Skandal zu Skandal, von Depressi-
    on zu Depression, und ist schließlich ganz von der
    Bildfläche verschwunden. Nachdem der Sturm sich
    gelegt hat, taucht er mit einem herzzerreißenden
    Schuldbekenntnis, das er sich von einer Schar ge-
    kaufter Journalisten hat zusammenzimmern lassen,
    wieder aus der Versenkung auf, kommt in den Ge-
    nuß der hohen Ehre, eine mickrige Benefizsendung
    zu moderieren, die ihn rehabilitieren soll, und wird schließlich auf den Posten des Dorfbürgermeisters
    in einem friedlichen Kaff gehievt. Nur zwei Jahre
    später startet er auf hohem Roß als Gründungsmit-
    glied einer Pipifaxpartei sein politisches Come-
    back.
    Laouedj bemerkt, daß ich ihn anstarre, hebt mir
    sein Glas zum Gruß entgegen und hat mich schon
    wieder vergessen. Eines ist sicher: Der Typ bringt
    es noch mal weit. Er ist von grenzenloser Schamlo-
    sigkeit und weiß, daß man in einem undurchschau-
    baren System um so schneller nach oben kommt, je
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    weniger Skrupel man hat. Und ist man erst oben,
    steht man den Göttern in nichts nach. Der mieseste
    Charakter wird als originell eingestuft und frühere Fehltritte werden als Heldentat verbucht. Wer in
    der einen Hand das Geld und in der anderen die
    Macht hält, für den ist das Himmelreich nicht der
    Rede wert.
    „Hör auf, ihn so anzustarren, du wirst ihn noch
    verärgern.“
    Ich fange mich.
    Der Kellner kommt, nimmt unsere Bestellung
    entgegen und zieht wieder ab.
    Erneut ertappe ich mich dabei, wie ich Laouedj
    beobachte, seinen Pariser Anzug, seine frischen
    Wangen und seine geschmeidigen Bewegungen.
    Das ist bloß ein Misthaufen von einem Gauner,
    sage ich mir. Außen hui und innen pfui. Auf einen
    Misthaufen werde ich doch nicht neidisch sein.
    Eine Dame mit futuristischem Kopfputz tritt in
    Erscheinung. Sie ist hochgewachsen und feinglied-
    rig wie ein Elektromast und aufreizend reizvoll in
    eine Robe gegossen, deren Rückenausschnitt bis
    zum Ansatz ihres Popos reicht. Einen Moment lang
    bleibt sie reglos zwischen den Tischen stehen, ihr
    Täschchen fest an den Busen gepreßt, und wartet
    hoheitsvoll, daß man sich ihrer annehmen möge.
    Schon kommt ein Lakai herbeigeeilt, bittet sie, ihm zu folgen und weist ihr den Tisch neben unserem
    zu. Gleich beginnt Dine, sich den Schnauzer zu
    zwirbeln. Die Dame dankt dem Lakai, nickt uns

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    unmerklich zu, verschränkt ihre Rosenfinger un-
    term porzellanenen Kinn und versinkt alsbald in
    tiefe Kontemplation der Deckengemälde.
    „Schau dir nur dieses Kunstwerk an!“ ruft Dine
    mit fiebernder Stimme aus. „Madame Zhor Rym,
    die schönste Witwe von ganz Algier.“
    „Ich kenne sie.“
    „Du kennst sie wirklich?“
    „Naja, wie man sich so kennt.“
    Er zerquetscht mir fast das Schulterblatt: „Machst
    du mich mit ihr bekannt?“
    „Du hast eine prima Frau, Dine. Fände ich nicht
    gut, wenn du das vergißt.“
    Er zerknüllt seine Serviette und zieht schmollend
    seinen Oberkörper zurück.
    Hinten im Saal macht Haj Garne dem Lakai Zei-
    chen näherzukommen, flüstert ihm etwas ins Ohr
    und steht auf. Er umrundet umständlich den Tisch,
    um Soraya K. beim Aufstehen behilflich zu sein.
    Seine Galanterie nach Art einstiger Eseltreiber ist so umwerfend, daß fast ein Gedeck dabei zu Bruch
    gegangen wäre.
    Soraya blitzt ihn schwarzäugig an und schwebt,
    ganz große Dame, davon. Haj Garne, leicht ver-
    stört, checkt schnell ab, ob die am Nachbartisch
    auch nichts gemerkt haben, dann hastet er hinter
    seiner Gefährtin her.
    Soraya rauscht hochnäsig an mir vorbei, während
    Haj Garne stehenbleibt, um Dine zu begrüßen, und
    dann
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