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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Autoren: Yasmina Khadra
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ein weibliches Pseudonym suggerierte. Es war also mehr ein Zufall. Heute bin ich stolz darauf, daß meine Romane unter einem weiblichen Namen erscheinen. Die algerischen Frauen haben während der gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Islamisten, die mein Land noch immer erschüttern, viel gegeben und auch viel verloren. Ihre Tapferkeit ist einzigartig. Die deutschsprachigen Leser, die nur wenig über den täglichen Horror wissen, der die Algerier jeden Morgen erwartet, können sich nur schwer vorstellen, welchen Mut unsere Frauen, Mädchen und Mütter aufbringen, wenn sie sich dem Terror-Regime der Islamisten, den Täuschungen der Scharlatane und den Grausamkeiten der Kindermörder widersetzen.
    Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, die Menschen zu 178
    Schriftstellern werden lassen. Gab es in deinem Leben ein bestimmtes Ereignis, das dich zum Schreiben bewog?
    Ich bin so zum Schreiben gekommen, wie man auf die Welt kommt, nämlich auf die natürlichste Art und Weise. Von frühester Kindheit an beneidete ich die Libellen, bewunderte die Vögel, und der geringste Schimmer am Himmel faszinier-te mich. Schon damals bemerkte ich, daß irgendwo in meinem tiefsten Inneren ein Griot* [* In der oralen Tradition Schwarzafrikas ein Dichter und Musiker, der die Mythen und die Geschichte(n) eines Stammes bewahrt und weitergibt, dem aber auch spirituelle Fähigkeiten zugeschrieben werden.] an seinen Sätzen feilt. Ich mußte nur zusehen, wie ein Tag geboren wurde, um ihn mir vorzustellen, nur den Mond beobachten, und schon stand ich mit ihm in Verbindung. Wie Llob in meinen Büchern wußte auch ich, daß ich als Dichter geboren war, so wie die Nachtigall als Sängerin das Licht der Welt erblickt. Bevor ich mich dazu entschied, meine Werke unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, war ich ein aner-kannter Schriftsteller und hatte in Algerien und Frankreich verschiedene Literaturpreise erhalten. Mein Werdegang als Autor ist zu komplex, um ihn an dieser Stelle ausführlich zu beschreiben. Dennoch habe ich mir selbst das Versprechen gegeben, die Erwartungen meiner Leser nicht zu enttäuschen, und mein nächstes Buch zielt in diese Richtung.
    Deine Beschreibungen der algerischen Hauptstadt überra-schen aufgrund ihres nostalgischen, teilweise sogar zärtli-chen Tons. Hast du eine besondere Beziehung zu Algier, der sogenannten „weißen Stadt“, die in den vergangenen fahren so düster geworden ist?
    Ich hatte zu Algier immer ein zwiespältiges Verhältnis, und es gelingt mir nicht, es in den Griff zu bekommen. Ich bin in dieser sonderbaren Stadt aufgewachsen, bin abwechselnd bezaubert und besorgt und stoße ständig auf ihre Gegensätze und ihre burlesken Seiten. Jedes Mal, wenn ich glaube, in einem meiner Bücher ein charakteristisches Merkmal dieser Stadt beschrieben zu haben, stellt es sich als Trugbild heraus.

    179
    Das ist schwer zu erklären. Ich glaube, daß Algier selbst seine Seele verloren hat und es der Stadt nicht gelingt, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Algier wollte sich emanzipie-ren und wurde dadurch völlig entstellt, wurde zu einer mitge-nommenen und orientierungslosen Stadt. Sie erinnert an ein Tier, das im Treibsand gefangen ist; je mehr es sich verzwei-felt bewegt, um sich zu befreien, desto tiefer versinkt es.
    Vielleicht muß man die Geschichte dieser Stadt aufrollen, um mildernde Umstände für sie zu finden; eine dramatische Geschichte, die von Gewalt geprägt ist, so düster wie die Haustore und so verschlungen wie die Gassen der algerischen Hauptstadt. Trotz der Bürde eines umstrittenen Erbes versucht sie dennoch, sich an ihren Heimathafen zu klammern, und tut alles, um nicht abzudriften. Ob es ihr gelingen wird, das Unheil abzuwenden …? Gerne würde sie selbst daran glauben, allerdings ohne allzu große Überzeugung.
    Es gibt nur wenige algerische Autoren, die Kriminalromane geschrieben haben, und die Gattung ist kaum in der literarischen Tradition des Landes verankert. Wie läßt es sich erklä-
    ren, daß du gerade diese Gattung gewählt hast, um die traurigen Ereignisse in deiner Heimat literarisch darzustellen?
    Nicht ich habe den Kriminalroman gewählt, es sind vielmehr meine Figuren, die mir die Gattung aufzwingen, in der sie sich entwickeln wollen. Eigentlich bin ich nichts anderes als der Sklave meiner Figuren. Was die Wahl dieser Gattung betrifft, habe ich nicht den geringsten Komplex. Auf die Qualität kommt es an. Für mich ist jeder Roman, ob Kriminalroman oder ein anderer, eine
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