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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Autoren: Yasmina Khadra
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wär’s mit
    einem Aperitif?“
    „Bin praktizierender Muslim.“
    „Oder einer kleinen Erfrischung?“
    „Habe eine Halsentzündung.“
    Er schüttelt mißvergnügt den Kopf und stellt sein
    Getränk auf einem kleinen Glastisch ab. Ich muß
    mich aufrichten, um ihn überhaupt zu sehen, denn
    er ist tief in seinen Sitz gerutscht. Er trägt ein be-sticktes Saharagewand mit vergoldeten Pailletten
    am Kragen und geflochtenen Seidenbordüren an
    den Ärmeln. Im tiefen Ausschnitt ein winziger
    Bauch, glänzend vor Schweiß, ähnlich einem
    Schildkrötenpanzer. Um seinen fleischigen Hals
    schimmert eine Kette aus massivem Gold im Ta-
    geslicht.
    Er klopft die Asche von seiner Zigarre.
    Nur ein paar Schritte von uns entfernt schäumt
    das Meer, versprüht seine Gischt, tobt und tost.
    „Vor zwei Stunden war es absolut still“, bemerkt
    er.
    „Der Wind hat sich gedreht.“
    „Und deshalb sind Sie hier?“
    „Ihnen kann man aber auch gar nichts verber-
    gen.“

    167
    Ich lehne mich wieder bequem zurück und gebe
    dem Schaukelstuhl einen kleinen Stoß, damit er zu
    wippen beginnt. Er setzt sich mit einem beruhigen-
    den Quietschen in Bewegung.
    „Ich muß anerkennen, daß Sie über eine beachtli-
    che Fantasie verfügen, Monsieur Kaak. Sie haben
    das alles höchst bravourös inszeniert. Spendieren
    Sie mir eine Zigarre?“
    „Wenn Sie meinen, Sie hätten sie verdient?“
    „Oh ja, durchaus.“
    „Dann greifen Sie zu.“
    Ich nehme mir eine Zigarre aus einer geschnitz-
    ten Dose, köpfe sie mit einem Biß und zünde sie
    mit einem Platinfeuerzeug an. Der erste Zug bringt
    mein Gehirn zum Prickeln. Der zweite versetzt
    mich fast in einen Rauschzustand.
    Ich umspanne mit dem Blick das wogende Meer
    und beginne zu erzählen:
    „Es war einmal ein Mann, der war so reich wie
    Krösus, und seine Habgier war ebenso groß wie
    seine Gefräßigkeit. Er hatte einen untrügbaren Sinn fürs Geschäftliche und eine grenzenlose Leidenschaft fürs Intrigieren. Doch leider lebte er in einem Land, wo alle lukrativen Unternehmungen
    stark beschnitten oder von vornherein willkürlich
    abgeblockt wurden – durch einen aufgesetzten,
    keineswegs unbestechlichen Sozialismus. Der rei-
    che Mann mußte oft halsbrecherisch jonglieren und
    sich mehr als einer Demütigung aussetzen, um sei-
    ner Berufung weiter nachgehen zu können. Wie-
    viele Freunde er sich auch in der Nomenklatura
    erkaufte, es schützte ihn weder vor den geltenden
    Gesetzestexten noch vor ideologischer Schikane.
    168
    Damals schrie das ganze Land ‚Häresie’, sobald
    ein privater Bauunternehmer es wagte, die proleta-
    rische Lethargie zu durchbrechen. Es gehörte zum
    guten Ton, arm zu sein, jeglicher Reichtum war
    verdächtig, wenn nicht gar des Teufels … Und
    Dahmane Faïd fand endlich einen Ausweg: Warum
    nicht, statt ein Riesenreich aufzubauen und die
    geballte Kritik auf sich zu ziehen, lieber überall ein bißchen investieren und so zugleich den Aktionsradius ausdehnen wie auch die Bewegungsfreiheit
    vergrößern …? Und so entschied er sich scharf-
    sichtig für das System der Strohmänner.“
    Stille im Schaukelstuhl nebenan.
    Ich ziehe an meiner Zigarre, um das Feuer neu zu
    entfachen, und fahre fort:
    „Abderrahmane Kaak zögerte nicht lange, als
    man ihn rief. Er hatte ein fettes Vorstrafenregister, war ein erbärmlicher Versager, kam von ganz unten. Er ergriff gierig die sich bietende Gelegenheit und lernte das Leben im Luxus kennen, Schlösser,
    Kreuzfahrten, die Privilegien der Reichen … Frei-
    lich nicht alle Tage. Oft mußte er die Knochen für
    seinen Boß hinhalten. Ein Strohmann ist auch dazu
    da, daß er die Prügel kassiert, die seinem Boß gel-
    ten. Das war Teil der Geschäftsbedingungen. Der
    Big Boss macht sich im Big Business nicht die
    Hosen naß. Die Schmutzarbeit delegiert er lieber
    an andere. Trotzdem lief für unseren Kaak alles
    wie geschmiert bis zu dem Tag, als das Land von
    der Fundamentalistenseuche befallen wurde. Der
    Krieg hielt Einzug auf numidischem Boden. Eine
    furchtbare Tragödie, gewiß, doch ein irrsinniger
    Glücksfall für eine gewisse begüterte Minderheit.

    169
    Jetzt oder nie war die ersehnte Gelegenheit, diesem Pseudo-Sozialismus endlich das Maul zu stopfen,
    der jede Initiative zur Mehrung von Privatvermö-
    gen abwürgte. Es galt, Spannungsherde zu schüren,
    Öl ins Feuer zu schütten, um das Land jeder Orien-
    tierung zu berauben und es besser ausbeuten zu
    können. Es mußte alles getan werden, um das
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