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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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ihm düstere Geschichten aus dem Mund triefen, heißt das, daß sich ein Fluch über alles legt.
    Der Kerl ist wie eine Stechmücke: Man kann sich nicht so recht mit ihm anfreunden. Da er sonst zu nichts taugt, hat er sich nach Art des Unglücks darauf verlegt, einem die Freude zu verderben.
    Ich vermute, der Direktor hat ihn mir nur zugeteilt, um mich im Auge zu behalten. Seit er mir den Unglückspropheten ins Kielwasser gehängt hat, kann ich nicht einmal mehr die Wasserspülung ohne Wissen der Obrigkeit betätigen.
    An diesem Morgen ist er ganz außer sich, drum spucke ich nach altem Brauch schnell unter mein Hemd, um die unheilvollen Einflüsse abzuwehren.
    Lino tut, als räume er Schubladen auf, ganz offenkundig, um den Pechspritzern zu entgehen. Inspektor Serdj, ein unverbesserlicher Fatalist, murmelt Beschwörungsformeln und Baya, die Sekretärin, steht unter Schock: Sie hat gerade bemerkt, daß ihr Taschenspiegel einen Sprung bekommen hat.
    »Kommissar!« schreit Bliss, »du wirst es nicht glauben …«
    Der Meister der Katastrophenstimmung hat solchen Mundgeruch, daß ich mir mit der Hand vor dem Gesicht hin und her fächle.
    »Keine Zeit!«
    Sein Enthusiasmus erlischt auf der Stelle. »Ich bin doch kein Pestkranker, zum Teufel! Ich habe auch meinen Stolz.«
    »Dann nimm ein Putzmittel und poliere ihn auf, er ist nicht ganz sauber.«
    »Ich habe das Recht auf denselben Respekt wie die anderen Kollegen. Es ist nicht fair, mich so zu behandeln. Verdammt, wir sind im Krieg! Wir müssen zusammenhalten«, jammert er und zieht sich in seine Nische zurück.
    »Mein Hals ist schon ganz steif«, stöhnt Lino und kommt aus seinem Versteck hervor. »Wegen diesem Kauz bricht noch mal mein Magengeschwür auf. Sag mal, Kommy, kannst du es nicht einrichten, daß er weit weg versetzt wird?«
    »Unmöglich. Er hat eine Schwester in der Verwaltung, die läßt es sich von vorn und hinten besorgen.«
    Baya spielt die Verlegene und versteckt das Gesicht in den Händen.
    Ich bedeute meinen Sklaven mit einer Kopfbewegung, mir zu folgen. Sobald wir allein sind, nehme ich ihre Berichte entgegen. Den Anfang macht Lino, der am meisten Ehrgeiz hat und in der Hierarchie am höchsten steht. Er blättert in seinem Notizblock. Ich weiß, daß nichts drinsteht, doch sein Bluff erlaubt mir erst einmal durchzuatmen.
    »Sabrine Malek, blond, grüne Augen … Wo hab ich sie nur, wo hab ich sie nur …? Ah! Da ist sie ja. Seite 19. Das Mädchen hat Hummeln im Hintern. Die kann nicht stillsitzen. Gilt in der Schule trotz heißem Outfit nicht gerade als Kanone …«
    »Das letzte Mal hat man sie vor drei Wochen gesichtet«, fährt Serdj fort. »War mit einem gewissen Mourad Atti zusammen, ein Zuhälter, wenn er nicht gerade im Gefängnis sitzt.«
    »Nach den Aussagen ihrer Klassenkameradinnen ist sie andauernd abgehauen. Hat nie bis zum Ende der Stunde durchgehalten. Ein echtes Problemkind. Nicht sonderlich beliebt.«
    »Wir müssen ihn finden, diesen Mour…«
    Ich habe den Satz noch nicht beendet, als eine gewaltige Explosion das Gebäude erschüttert. Gleich darauf brechen Geschrei und Menschenmassen über uns herein. Lino ist wie versteinert, die Brille ganz vorn auf der Nasenspitze. Ich schiebe Serdj beiseite und renne auf den Gang. Der Chef krakeelt vom dritten Stockwerk herunter. Niemand beachtet ihn. Alles drängt mit verzerrten Gesichtern zum Hof, kalt läuft es uns über den Rücken.
    Draußen schickt sich ein fahler Himmel an, die Wolken wieder zusammenzuflicken. Auf der Straße umringen Gaffer das Drama, ohne zu begreifen, was vor sich geht. Ein Auto brennt, die Räder in der Luft. Schwarze Rauchschwaden ziehen über die Fassaden. Verstümmelte Körper liegen blutüberströmt auf dem Asphalt.
    »Autobombe«, stammelt der diensthabende Polizist. »Der Junge ist durch die Luft geflogen wie ein brennendes Holzscheit.«
    Irgendwer brüllt nach einem Krankenwagen. Die Schreie holen uns in die Realität zurück. Die Leute wachen aus ihrer Betäubung auf, werden sich ihrer Wunden und des Grauens bewußt. Sofort bricht Panik aus. Innerhalb von Minuten verhüllt die Sonne ihr Gesicht, und die Nacht - finsterste Nacht - bricht am hellichten Vormittag über uns herein.
     
    Mina hat mir Zwiebelsuppe gemacht. Mein Lieblingsessen. Schweigend sitze ich am Tisch und starre auf meinen Teller, ohne ihn zu sehen. Der Gedanke an Essen verursacht mir Übelkeit. Kaum schließe ich die Augen, explodiert in meinem Kopf die Autobombe, und ihre Schockwelle
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