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Coltan

Coltan

Titel: Coltan
Autoren: Ivo Andress
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brauchen sie den schwarzen Sand.
Coltan. Nein, sie waren schon lange nicht mehr am Ende der Welt, sie waren endlich
ein Teil von ihr, auch er.
    Noch immer lag nur der Geruch der Pickups in
der Luft. Er wusste nicht, warum, aber er konnte, sie riechen. Er reckte sich,
es war still im Dorf. Keine Motoren, keine Stimmen. Dann endlich sah er eine
weiße Stossstange.

8
    NPA/DR Kongo/Goma
    Ruandische Hutu-Milizen haben nach Angaben
von UN-Beobachtern unweit von Goma 20 Bewohner ermordet. Nach den Massakern von
Hutu an Tutsi im benachbarten Ruanda waren viele Hutus über die Grenze in die
DR Kongo geflohen. Nach Erkenntnissen der UN finanzieren sich die Milizen zum
Teil durch den illegalen Abbau und Handel mit Rohstoffen. Das Dorf liegt in
einem Gebiet, in dem illegal Coltan abgebaut wird. Coltan wird vor allem für
die Herstellung von Kondensatoren in der Mobilfunktechnik benötigt.

9
    Mein Handy summte, Maders Nummer. Noch zwanzig
Sekunden, dann kann sie alles, was es zu sagen gibt, meiner Mobilbox anvertrauen.
Eine Hure aus dem Osten? Keine schlechte Idee. Wen kümmert es? Ein, zwei Monate
wird ermittelt, die Vermisstenanzeigen werden europaweit über Interpol
abgefragt und kein Ergebnis liefern. Niemand wird sie vermissen und kein
Staatsanwalt wird wegen einer jungen Rumänin oder Moldawierin mehr tun als
notwendig ist. Ergebnis: Fall eingestellt, die Akte verschwindet im Archiv. Da wusste
jemand ganz genau, wie es normalerweise läuft. Fremdverschulden nicht
erkennbar, ertrunken und aus.
    Lily, eingeäschert auf Staatskosten und
irgendwo anonym begraben. Kommt vor. Eine Hure eben, auf der Suche nach dem
Glück in den Flutgraben gerutscht. Pech.
    Morgen kommt der Bericht über den Mageninhalt. Weder
Veuve Cliquot noch ein guter Bordeaux werden nachweisbar sein, etwas grüner
Salat vielleicht, Spermareste eher nicht. Toxikologie? Sie werden auch damit
gerechnet haben.
    Ich saß auf meinem Balkon. Letzte
Sonnenstrahlen färbten die Dächer blutrot. Am Fernsehturm wurden die
Leuchtfeuer eingeschaltet.
    Sie kommt nie wieder plötzlich und unerwartet. All
das Warten, Harren, Hoffen – vorbei. Und ich? Trocken, verdorrt.
    Langsam kroch ein Zittern durch meinen Körper.
Ich presste die Kiefer aufeinander, knetete die Hände. Hoffte auf ein bisschen
Erlösung, doch keine Träne, nur dieses Zittern, das in den Knien begann, dann
über die Oberschenkel langsam in den Bauch kroch.
    Vor mir stand eine Flasche Corbieres. Der
Aschenbecher quoll über und plötzlich, ohne Vorwarnung, entlud sich mein Magen.
Ich schaffte es gerade noch zur Brüstung.
    Ahnungslose Touristen hörten mich krächzen und
sprangen im letzten Moment fluchend zurück. Fickt euch!
    Zwei, dreimal würgte ich, dann war alles leer,
mein Magen, mein Kopf, alles. Die Hände im Nacken verschränkt lehnte ich an der
Wand und sah den ersten Sternen beim Tanzen zu, bis meine zitternden Beine mich
endlich ins Bad schleppten.
    In der Ecke der Dusche kauernd ließ ich mir das
Wasser über den Kopf laufen. Eingezwängt, ausweglos, zum Schweigen verdammt. Eine
falsche Bemerkung und ich würde nicht nur den Fall verlieren.
    Dieser Mord war geplant und mehr als nur gut
vorbereitet. Der billige Mini vom Polenmarkt, Dessous aus dem Discounter. Er
hätte ihr noch die Fingernägel abknabbern sollen, um das Bild komplett zu
machen. Das bisschen DNA hätte das Wasser weggewaschen.
    Die Vorstellung, dass Lily von allein in den
Kanal gefallen sein könnte, war abwegig. Sie hatte dort ebenso wenig verloren
wie an den Grabbeltischen von Woolworth. Nichts von all dem hatte mit ihrem Leben
zu tun.
    Allmählich beruhigte sich mein Magen. Ich
musste sie vergessen, musste mich von ihr befreien, um nicht vor Selbstmitleid
zu vergehen. Die Leere in meinem Kopf begann, sich langsam zu füllen. Es ging
um sie, nicht um mich, wie sonst immer.
    Sie haben sie umgezogen, betäubt, ihr was in
den Champagner gemixt. Sie ? Ich stutzte. Nein, Lily war nicht für einen
flotten Dreier mit ihr als Mittelpunkt zu haben, da hätte sie auf der Schwelle
kehrt gemacht. Lily hatte Prinzipien. Zwei Frauen und ein Kunde, gut, da kann
mir nichts passieren, da sind wir beide sicher, hatte sie mir einmal erklärt.
Aber zwei Männern hätte sie sich nie freiwillig ausgeliefert, viel zu gefährlich.
    Ein Kunde, kein Unbekannter – sie hatte feste
Termine. Wer sie buchen wollte, brauchte eine Empfehlung. Bei ihr kam niemand
aus dem Nichts und verschwand dann wieder. Immer auf die Deckung achten,
niemals allein durch
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