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Colombian Powder

Colombian Powder

Titel: Colombian Powder
Autoren: Simone A. Siegler
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an.
    »Ich habe keine Ahnung, was das mit dieser Heirat zu tun haben soll! Hättest du endlich die Güte, dich so auszudrücken, damit auch ich es verstehe?«
    Meine Mutter schnappte bei diesen dreisten Worten nach Luft, aber ich kam gerade erst in Schwung. Eine Ader an Vaters Stirn begann zu pulsieren, ein sicheres Zeichen dafür, dass auch sein Zorn wuchs.
    »Mir ist klar, dass unser gnädiges Fräulein hier außer der Reiterei nicht viel im Sinn hat. Du hast keine Ahnung, was auf dem Gut vor sich geht!«
    »Dann kläre mich auf!«
    »Das tue ich, keine Sorge!«
    Er schenkte sich noch einmal großzügig Portwein nach. »Hochweden ist längst kein so wertvoller Besitz mehr, wie es den Anschein hat. Auf dem Gemäuer lasten die Jahre! Das Dach des Schafstalls ist am Ende und die Zäune auf den nördlichen Weiden sind durchlöchert wie Schweizer Käse. Und das sind nur zwei Dinge auf einer langen Liste.« Er stützte sich schwerfällig auf den Tisch und sah plötzlich alt und müde aus.
    »Trotzdem, ich verstehe es immer noch nicht!«, beharrte ich, wenn auch nicht mehr ganz so aufgebracht.
    »Ach, wirklich nicht?«, fuhr er mich an. »Und ich dachte, ich hätte so eine schlaue Tochter!«
    »Nina«, mischte sich nun Mutter mit sanfterer Stimme ein. »Das Anwesen entsprechend zu erhalten ist kostspielig. Du weißt, dass wir voriges Jahr auch die letzten Pächter verloren haben, und die fehlenden Einnahmen reißen ein immer größeres Loch in unsere Finanzen.« Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Gustl hat sich bereit erklärt, einen Großteil seines Vermögens in das Gut einzubringen, wenn du ihn heiratest. Und sein Studium wird es ermöglichen, dass wir wieder in die schwarzen Zahlen kommen.«
    »Das ist euch also wichtig? Die Zäune und der Schafstall! Und ich bin das Mittel zum Zweck.« Vor jäher Enttäuschung traten mir Tränen in die Augen. »Ihr wollt mich an einen Typen verschachern, der euch erpresst, weil er auf den Grafentitel scharf ist?«
    Krachend landete Vaters Faust auf dem Schreibtisch. »Was glaubst du, wie unsere Familie dieses Gut über zwei Jahrhunderte erhalten konnte? Indem bei jeder Entscheidung geflennt und gewinselt wurde?«, brüllte er. Ich wusste, jetzt war für ihn der Zenit erreicht.
    Drohend kam er auf mich zu. »Opfer. Du kennst dieses Wort nicht. Woher auch? Weißt du, was ich für Hochweden für Opfer bringen musste? Ich wollte studieren und die Welt sehen. Doch mein Vater stellte mich genauso vor eine Entscheidung wie ich dich jetzt. Für oder gegen das Gut und die Familie! Damit meine Frau und meine Kinder ein bequemes Leben führen können. Glaubst du, ich war glücklich darüber?«
    »Gustl wäre ein wunderbarer Ehemann für dich, Nina«, versuchte es Mutter noch einmal. »Er liebt dich, er würde dich auf Händen tragen. Ihr hättet hier eine großartige Zukunft, und Hochweden käme wieder auf die Sprünge.«
    Ich ließ mich auf die Ofenbank sinken und legte die Fingerspitzen an die Schläfen. »Das kann nicht euer Ernst sein.«
    Es war lange Zeit still, während die Gedanken schmerzhaft durch meinen Kopf rasten. »Das alles hast du hinter meinem Rücken eingefädelt! Das ist also der wahre Grund, warum Gustav hierher kam - um mich zu ködern!«
    Ich starrte auf Vaters breiten Rücken, unfähig, das Ungeheuerliche zu begreifen. Doch es kam keine Antwort. Es wurde noch stiller! Schwer lastete dieses Schweigen im Raum. Mutter tupfte sich verstohlen die Augen und wich meinem Blick aus.
    »Antworte mir«, kreischte ich schließlich.
    Ungerührt drehte sich Vater zu mir um. »Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Geh jetzt und finde dich damit ab.«
    »Das werde ich nicht!« Wie der Blitz war ich auf den Beinen. »Du spinnst wohl! Ich werde diesen Typen niemals heiraten!«
    Vater ignorierte meinen Ausbruch und schickte sich an, den Raum zu verlassen. Doch so leicht gab ich mich nicht geschlagen.
    »Du hast von einer Entscheidung gesprochen. Dann gibt es also eine Alternative zu dieser lächerlichen Ehe. Was ist, wenn ich mich weigere?«
    Kurz zuckte ein Muskel am Auge meines Vaters, bevor er mit ausdrucksloser Stimme antwortete. »Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen.« Krachend schlug die Tür hinter ihm zu. Einige Sekunden stand ich wie versteinert und lauschte auf das leise Schluchzen der Mutter.
    »Du lässt das tatsächlich zu?« Ich drehte mich zu ihr um, die wie ein Häufchen Elend neben dem Kamin kauerte.
    »Ich darf mir meinen Ehemann also nicht selbst aussuchen, so
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