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Colombian Powder

Colombian Powder

Titel: Colombian Powder
Autoren: Simone A. Siegler
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kommt.
    »Nach Hause«, lautet seine knappe Antwort.
    Mein zu Hause in Berlin existiert nicht mehr. Bald nach der Festnahme waren meine Sachen, bestehend aus einem Koffer und einem Pappkarton, in der JVA abgegeben worden. Kein Mensch wusste von wem, aber ich kann mir denken, dass dies die Kündigung meines WG-Zimmers bedeutete. Ich weine ihm keine Träne nach – dem Zimmer, die Leute waren schon in Ordnung.
    Marco hat davon keine Ahnung. Noch im Gerichtssaal habe ich die Wachbeamtin gebeten meine Sachen zu verwahren, bis klar ist, wo ich die kommende Nacht unterkommen würde. Es ist schwer zu beichten, dass ich nicht weiß, wohin ich nun gehen soll. Darum schweige ich einfach und folge ihm auf den Parkplatz neben dem Gerichtsgebäude. Vor einem schwarzen Audi bleibt er stehen.
    »Ist das deiner?« Ich bin einigermaßen erstaunt über das schnittige Auto.
    »Wäre schön, nicht wahr?«, grinst Marco. »Leider ist es nur mein Dienstwagen.«

    Angespannt sitze ich auf dem Beifahrersitz und rechne jeden Moment damit, dass Marco nach dem Weg zur WG fragt. Er schweigt jedoch, lenkt den Wagen südwärts über die Spree und parkt kurz darauf zwei Blocks vom Charlottenburger Schloss entfernt.
    Seine Wohnung liegt in einem wuchtigen Altbau, mit hohen Decken und spiegelndem Parkett.
    Er lässt die Eingangstür hinter uns ins Schloss fallen und sieht mich abwartend an.
    »Darf ich dir einen Kaffee anbieten?«
    »Ja, das wäre wunderbar.« Ich folge ihm in die Küche und beobachte ihn dabei, wie er die Espressomaschine in Gang setzt. Ein leises Kribbeln überläuft mich, als er sich zu mir umdreht und unsere Blicke sich treffen.
    »Geht es dir gut?«
    »Ja«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Aber ich werde noch eine Weile brauchen, um die letzten Wochen zu verdauen.«
    »Nur die letzten Wochen?« Marco macht eine einladende Handbewegung, und ich nehme artig an seinem Esstisch Platz. Ich spüre, dass etwas in der Luft liegt.
    Er setzt sich nicht, sondern stellt sich mit dem Kaffeebecher in der Hand ans Fenster. Kein gutes Zeichen. Wenn es unangenehm wird, dreht er mir den Rücken zu, soweit kenne ich ihn mittlerweile.
    »Was für ein Glück, dass alles so glimpflich ausgegangen ist«, stellt er fest.
    »Weder du noch Beate hattet eine Ahnung, wie gefährlich eure Aktion wirklich gewesen ist. Da waren eure Gehirne ganz sicher auf Stand-by, als ihr diesen Wahnsinn beschlossen habt. Eure gefährlichsten Gegner waren nämlich nicht die Behörden, sondern Ramons Konkurrenten!«
    Unwillkürlich straffe ich die Schultern. Läuft das Ganze etwa auf eine Standpauke hinaus?
    »Hör zu Marco, wenn du von mir eine Entschuldigung erwartest …«
    »Bei mir musst du dich nicht entschuldigen«, unterbricht er mich.
    »Ich weiß, wie dumm das alles war …«, setze ich erneut an.
    »Nicht nur dumm, Nina!« Er schnappt sich einen Stuhl und setzt sich zu mir. An seinen fahrigen Bewegungen merke ich, wie gereizt er auf einmal ist.
    »Bei deiner Verhaftung warst du am Boden zerstört, darum habe ich dir dieses Gespräch erspart. Aber jetzt wirst du mir zuhören.«
    Ich schlucke mühsam. Was kommt nun?
    »Ich glaube nicht an den berühmten Zufall, der uns zusammengeführt hat. Denn wer kann dir besser die Augen öffnen als ich? Nina, ich sehe tagtäglich, was Drogen mit den Menschen anstellen!« Sein Blick ist so intensiv geworden, dass ich zurückweiche.
    »Das Gift ist eines der abscheulichsten Dinge, die es auf dieser Welt gibt!«
    »Marco, ich …«
    »Du hast keine Ahnung davon, wie viele Familien durch die Drogen schon zerstört wurden. Kinder, die auf Nimmerwiedersehen in diesem Sumpf verschwinden, Mütter, die sich aus Gram darüber das Leben nehmen …« Kaum gesetzt, springt Marco wieder auf und beginnt in der Küche auf und ab zu gehen. »Und was macht unser Rechtssystem? Es sperrt die Konsumenten ein, diejenigen, die sowieso schon verspielt haben, sobald sie das Zeug anrühren. Soll ich dir sagen, wer einzig und allein bestraft werden müsste?«
    Ich ziehe es vor, stumm zu nicken. Er ist so in Fahrt, dass er mich ohnehin nicht ausreden lassen würde.
    »Die Ramons dieser Welt! Die Drogenbarone und ihre Helfer, die die Sucht der Gesellschaft ermöglichen und erhalten.«
    »Und ich war so ein Helfer.«
    »Ja, Nina. Du wärst fast ein Teil dieser unseligen Maschinerie geworden. Du hast nur das Geld gesehen, warst beseelt davon, es deinem Vater zu zeigen, und hast keinen Gedanken daran verschwendet, was mit den acht Kilo Kokain in Deutschland
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