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Colombian Powder

Colombian Powder

Titel: Colombian Powder
Autoren: Simone A. Siegler
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verkrampfen sich unter dem Tisch.
    Er betont, dass wir Angeklagten weder aus asozialen Verhältnissen stammen, noch in besonderer Notlage waren, sondern aus reiner Habgier gehandelt hätten. Wie wahr.
    Zum Schluss folgten die Plädoyers der Verteidiger.
    Richard Brandt erzählt dem Senat ziemlich ausführlich, wie es mir in Berlin ergangen war, und dass ich die Schwere meiner Verfehlungen inzwischen eingesehen habe. Wie recht er damit hat … Er weist auch auf meine bisherige Unbescholtenheit hin und bittet das Gericht, von der Möglichkeit einer Bewährungsstrafe Gebrauch zu machen.
    Dann sind die Angeklagten noch einmal an der Reihe. Beates Verteidiger beginnt auf sie einzuflüstern, aber sie schüttelt nur mechanisch den Kopf und hält ihren Blick gesenkt.
    Die Aufmerksamkeit richtet sich nun auf mich, und es geht ein Raunen durch den Saal, als ich aufstehe, noch bevor mein Verteidiger etwas zu mir sagen kann.
    Meine Wangen überziehen sich mit einer hektischen Röte, jetzt, da alle Augen auf mich gerichtet sind. Auch Marcos Augen …
    »Ich bin mir bewusst, dass ich für mein Fehlverhalten selbst verantwortlich bin. Niemand hat mich mit vorgehaltener Pistole gezwungen, diese Tat zu begehen. Ich muss dem Herrn Staatsanwalt leider recht geben. Es war einfach die scheinbar günstige Gelegenheit, aus meiner prekären finanziellen Situation herauszukommen. Ich bedauere dies aufrichtig und bitte das Gericht um eine Chance. Danke.«

    Jetzt wird die Verhandlung unterbrochen. Ich bin erleichtert, dass Beate in einen anderen Raum geführt wird als ich, um in Polizeigewahrsam die Urteilsverkündung abzuwarten. Im Weggehen bemerke ich, dass sich Gustav angeregt mit Marco unterhält. Was haben sich die beiden zu sagen?
    Nach einer halben Stunde werden wir wieder aufgerufen. Richard Brandt drückt mir aufmunternd die Hand, als sich der Saal beim Eintritt des Richters erhebt.
    »Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil«, liest der Richter aus der Mappe in seinen Händen vor.

    Mit leisem Quietschen öffnet der Gerichtsdiener die schwere Eichentür des Verhandlungssaals und entlässt als Erstes die Handvoll Zuhörer des Prozesses. Dahinter eilt Richard Brandt hinaus.
    Ganz langsam erhebe ich mich von der Anklagebank, nicht sicher, ob meine Beine mich tragen werden. Es ist überstanden. Richard Brandt sei Dank! Das Urteil fällt aufgrund der Tatsache, dass ich im letzten Moment vom Versuch der Drogeneinfuhr nach Deutschland zurückgetreten bin, milde aus. Ich werde zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt, zur Bewährung ausgesetzt. Das heißt – nicht mehr zurück in die Zelle!
    Vier Jahre unbedingte Haft, so lautet der Richterspruch für Beate. Ramon da Bona sollte zwei Monate später zu zehn Jahren unbedingter Haft verurteilt werden. Allerdings verbüßte er die Strafe nicht, denn er wurde sofort nach Kolumbien abgeschoben, wo ein Mordprozess auf ihn wartete. Es gibt Leute, die behaupten, dass diese Abschiebung aus einigen Kreisen der High Society tatkräftig gefördert wurde ... niemand hat ein Interesse, dass Ramon alles erzählt, was er weiß. So bleiben wieder einmal ein paar Headlines ungedruckt.
    »Nina!« Beates Ruf lässt mich erstarren. Ich habe die Tür nach draußen schon im Blick, und es fällt mir schwer, mich wieder zum Saal hin umzudrehen.
    Meine ehemalige Freundin wird von einer Beamtin flankiert, als sie auf mich zukommt.
    »Nina. Es … es tut mir so wahnsinnig leid …«, stammelt sie leise.
    »Schon gut, Beate. Was soll´s. Es ist zu spät.«
    Marco tritt neben mich und legt mir beschützend den Arm um die Schultern.
    »Er?« Beates Blick flackert hektisch zwischen uns hin und her.
    »Ja. Er.«
    »Ich hatte keine Ahnung …«
    »Wie solltest du auch?«
    Beate sieht aus, als stecken ihr die Worte in der Kehle fest.
    »Ich wünsche dir alles Gute, Beate. Bitte lass mich jetzt gehen.«

    Ich trete durch das Portal hinaus in den Berliner Frühling. Wie grün alles ist! Die Bäume, der Rasen, so schön grün, aber nicht resedafarben. Nie hätte ich für möglich gehalten, dem Gezanke von Spatzen im Liguster an der Hauswand einmal so verzückt zuzuhören. Jetzt erst fühle ich, was mir alles gefehlt hat. Selbst der Verkehrslärm hört sich mit einem Mal anders an. Geräusche, die so lange von Beton verschluckt wurden. Meine Welt hatte im tiefsten Winter aufgehört zu existieren, und das Jahr hatte seitdem ein Loch.
    »Und nun?« Meine Frage ist bang, als Marco hinter mir aus der Tür
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