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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack
Autoren: Mario Giordano
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hinzu und deutete auf die kleine blaue Sonne in der Mitte des Stollens. »Dort explodiert gerade das Rote Quecksilber. Aber sehr, sehr langsam. Wenn du genau hinsiehst, erkennst du es. Der Schall ist noch langsamer als das Licht, deswegen können wir uns nicht hören, wenn wir weit auseinanderstehen.
    »Und warum klappt es ausgerechnet, wenn wir nah beieinanderstehen?«
    »Ich habe keinen Schimmer, Niko.«
    »Das ist unlogisch, Peter. Falls die Zeit wirklich angehalten hat oder auch nur unendlich langsam abläuft, müsste das auch für unsere Stoffwechselprozesse gelten. Wir dürften hier gar nicht stehen, uns bewegen und reden können.«
    Wo er Recht hat …
    »Ich weiß nicht, was passiert ist, Niko. Ich weiß nur, dass wir leben und dass die Zeit eingefroren ist.«
    »Woher hast du gewusst, dass die Amulette das auslösen?«
    Peter hatte die Frage erwartet. Schließlich hatte er Nikolas plötzlich gedrängt, dass sie sich voreinander hinknien, die Amulette in die Hand nehmen und beten.
    »Es war nur eine Idee«, gestand er. »Bei dir hatte es ja vorher schon gewirkt. Maria hatte in Avignon eine sehr ausführliche und detailreiche Vision, als sie den Rosenkranz mit dem Amulett betete. Außerdem hat das Material ziemlich merkwürdige physikalische Eigenschaften. Ich hatte keine Ahnung, ob oder was geschehen würde. Ich dachte nur, dass es einen Versuch wert sein könnte. Und irgendwie fand ich es passend, im Angesicht des Todes mit dir zu beten.«
    »Beten. Du.«
    Peter zuckte mit den Schultern.
    »Du hast es also nicht bewusst ausgelöst?«
    »Nein, Niko.«
    Nikolas atmete zischend aus. »Das heißt, du weißt auch nicht, wie man es wieder rückgängig machen kann.«
    In diesem Moment wurde Peter klar, dass Nikolas die Kehrseite ihres Überlebens ansprach. Wenn sie es nicht rückgängig machen konnten, waren sie für alle Ewigkeit in einem einzigen Punkt in der Zeit gefangen.
    Darum kannst du dich später noch kümmern.
    »Wir sollten von hier verschwinden«, sagte er. »Nur für den Fall, dass die Zeit plötzlich wieder anspringt und normal weiterläuft, würde ich gern woanders sein als direkt neben einer Megabombe.«
    Die Amulette nahmen sie mit. Auf dem Weg zum Ausgang sah Peter, dass seine Hypothese wirklich stimmen musste. Alle Bewegung war wie in einem einzigen Moment festgefroren. Er sah den erstarrten Kelly, der es mit Hilfe der Wachen geschafft hatte, die Schleuse zu sprengen. Der Rauch, die Metallfetzen, sogar das deformierte Raketengeschoss hingen wie eingegossen in der Luft. Der Blitz des Mündungsfeuers dehnte sich genauso langsam aus wie der Explosionsblitz des Roten Quecksilbers.
    »Ich könnte ihn töten«, sagte Nikolas, der hinter Kelly stand.
    »Das besorgt die Explosion gleich«, erwiderte Peter, und sofort wurde ihm die Absurdität dieser Aussage bewusst. »Gleich« war relativ geworden in einer Welt, die sich nur noch unendlich langsam fortbewegte. Ein ferner Traum, ein schier unerreichbarer Zustand. Außerdem war nicht gesagt, dass Kelly nicht auch diese Explosion überleben würde.
    Peter berührte aus Neugierde einen der Wachleute neben Kelly. Seine Haut fühlte sich an wie kühler Fels, aber unter Peters Hand wurde sie sofort wieder weich. Der Mann stieß einen kurzen Seufzer aus, sackte vor Peter zusammen und erstarrte wieder.
    »Verdammt!«, stieß Peter hervor, ratlos, was gerade passiert war.
    »Wir können sie offenbar aufwecken«, sagte Nikolas und fügte seltsamerweise hinzu: »Wie Schneewittchen.«
    Peter entwaffnete den Mann am Boden zur Sicherheit und berührte ihn dann erneut.
    »Hilf mir mal, Niko!«
    Aber auch als Nikolas ihn berührte, wurde seine Haut zwar wieder geschmeidig, und er fühlte sich an wie ein menschlicher Körper, aber Peter stellte rasch fest, dass er tot war, gestorben im Moment der Berührung. Im gleichen Augenblick spürte Peter, wie der dunkle Klumpen in seinem Inneren wuchs, als würde er von irgendetwas genährt.
    »Regel Nummer eins«, sagte er. »Keine Menschen berühren.«
    »Wenigstens Kelly«, wiederholte Nikolas und streckte bereits den Arm aus. Doch Peter hielt ihn zurück.
    »Kelly ist anders«, erklärte er. »Er ist etwas anderes. Wir riskieren womöglich, ihn dadurch zu uns zu holen.«
    Peter wunderte sich darüber, wie selbstverständlich ihm die Situation nach einer Weile erschien, und vermutete einen psychischen Schutzreflex dahinter. Vermutlich würde der Schock noch kommen. Bald sogar.
    Sie beeilten sich, die Anlage zu verlassen. Als
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