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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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t Ihnen Ihr neues Ich?« Der verrückte Rajid schaute etwas verwirrt, aber leidlich begeistert drein. Siri gab seinen beiden Freunden die Hand.
    »Die Ergebnisse seiner ärztlichen Untersuchung sind tipptopp. Ich hatte mit al en möglichen Krankheiten gerechnet. Aber abgesehen von Läusen und ein paar Schürfwunden ist er quasi eine wandelnde Reklame für das Essen aus Mül tonnen und das Schlafen in Abwasserkanälen.«
    »Viel eicht sol ten wir es auch einmal damit probieren.« Rajid ging davon, während die anderen sich im Schneidersitz rings um den Baumstamm niederließen wie an einem hohen Tisch.

    »Wo wol en Sie denn hin, Botschafter? Kommen Sie, setzen Sie sich zu uns.«
    Der Inder drehte sich um, überlegte kurz und gesel te sich dann zu ihnen. Er lachte stumm, um ihnen zu zeigen, dass er sich freute. Civilai inspizierte das feine Seidenhemd.
    »Wo hast du denn passende Kleidung für ihn gefunden?«
    »Was für eine Frage! Ich arbeite im Leichenschauhaus, Ai. Der Herr hat’s gegeben…«
    »Wie geht es Ihrer Lunge?«, fragte Phosy.
    »Wenn man den Ergebnissen einer eigenhändig durchgeführten Untersuchung Glauben schenken möchte, gut.«
    »Wie schön. Sie haben großes Glück gehabt.«
    »Mehr Glück als Verstand. Da fäl t mir ein. Neulich war ich bei einer Bekannten, einer alten Hexe…«
    »Tot oder lebendig?«
    »Quicklebendig. Und sie hat sich so sehr über meinen Besuch gefreut, dass sie mir die hier zum Sonderpreis überlassen hat.« Er holte drei merkwürdig geformte, wachsversiegelte Flaschen mit einer kirschroten Flüssigkeit aus seiner Plastiktüte. »Zum Glück, da ihr das gute Tröpfchen, wie ich sehe, ohne mich verkostet habt. Das ist Pflaumenreiswein.«
    Civilai stel te eine Flasche auf den Kopf und sah zu, wie der seltsame Bodensatz nach oben trieb. »Phosy, unter normalen Umständen würde ich Ihnen davon abraten, von einem Pathologen unbeschriftete Flaschen mit einer blutroten Flüssigkeit entgegenzunehmen, aber in diesem Fal bleibt uns, glaube ich, nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen. Was meinen Sie?«
    »Ich würde sagen, er trinkt das erste Glas, und wir geben ihm zehn Minuten.«
    Siri öffnete eine Flasche. Phosy legte vier gigantische Baguettestangen auf den Baumstamm, und der verrückte Rajid leckte und schnüffelte an seinen Laufschuhen. Während er das Brot schnitt, erzählte Civilai von einer Nachricht, die ihm an diesem Tag auf den Schreibtisch geflattert war.
    »Ich habe heute eine komische Geschichte gehört. Wie es aussieht, haben die Taiwanesen den Abholzungsvertrag gekündigt, den sie mit dem laotischen Militärrat geschlossen hatten.«

    »Nein!« Siri errötete.
    »Du weißt nicht zufäl ig etwas darüber?«
    »Ich? I wo. Wie hätte ich vor dir davon erfahren sol en? Aber…«
    »Wusste ich’s doch.«
    »Nein, aber wie man hört, sind die Chinesen ein ziemlich abergläubisches Völkchen. Sol te ihnen also zu Ohren gekommen sein, dass in den Wäldern Khammouans im großen Maßstab Waldgeister umgesiedelt werden, fände ich es nur al zu verständlich, wenn sie sich ernsthafte Sorgen darüber machen würden, ob das Holz nicht viel eicht irgendwie… verflucht ist.«
    »Besonders, wenn sie jemand diskret darauf hingewiesen hat. Oder was glaubst du, wie die Taiwanesen von der Geisterumsiedlung im fernen Khammouan erfahren haben?«
    Siri schüttelte den Kopf. »Da bin ich überfragt.«
    »Hm. Das kommt vermutlich eher selten vor.« Phosy lachte.
    Da die Gäste vol zählig erschienen waren, war es Zeit für Civilais Totenrede.
    Erfreulicherweise fasste er sich kurz. Sie standen auf und erhoben die Gläser.
    Civilai sprach mit seiner getragensten Parteistimme.
    »Ehrenwerte Ritter der Tafelrunde des toten Pathologen.
    Wir sind heute hier versammelt zu Ehren eines getreuen und leider viel zu früh verstorbenen Gefährten.«
    »Hört, hört.«
    »Halt die Klappe, Siri. Obwohl er zu Lebzeiten ein rechter Trottel war, ist er doch fraglos als Held gestorben.«
    »Und das gleich dreimal«, setzte Phosy hinzu.
    »Und das gleich dreimal. Dr. Siri Paiboun, Pathologe, Gelehrter, Medizinmann. Wir verneigen uns vor dir. Zum Wohl.«
    »Zum Wohl.«
    »Zum Wohl.«
    »…zum Wohl.«

    Sie sahen Rajid verwundert an.
    »Sie sprechen?«
    »Manchmal.«
    Das Mittagessen zog sich bis fünf. Rajids neue Kleider lagen ordentlich gefaltet am Flussufer, aber er war nirgends zu entdecken. Schließlich standen die anderen auf und verabschiedeten sich. Civilai musste zu einem Familienfest. Da Siri
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