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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul
Autoren: Schutzengel
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hieß, die Welt mit dem anderen Menschen
teilen. Eine der beiden Frauen kannte er gut. Er teilte sein Universum mit ihr.
Sie schauten auf dieselben Berge, dieselben Bäume, obwohl jeder sie auf seine
Weise sah. Er kannte ihre Schwächen, ihre Augenblicke des Hasses, der
Verzweiflung, und dennoch stand er an ihrer Seite.
    Sie teilten dasselbe Universum.
Auch wenn er oft das Gefühl hatte, dass es in diesem Universum schon keine Geheimnisse
mehr gab, hatte er in jener Nacht im Tal des Todes herausgefunden, dass er
sich getäuscht hatte.
    Er hielt an. Vor ihm führte eine
Schlucht in die Berge hinein. Er hatte diesen Ort nur wegen des Namens
ausgesucht - schließlich waren die Engel immer und überall auf der Welt
anwesend. Er sprang aus dem Wagen, trank noch etwas Wasser aus einem großen
Gefäß, das er im Kofferraum hatte, und hängte sich seine Wasserflasche an den
Gürtel.
    Er dachte noch an Vahalla und Chris, als er auf die Schlucht zuging. >Ich
glaube, ich werde mich noch oft verlieben<, sagte er sich. Doch der Gedanke
machte ihm keine Schuldgefühle. Sich verlieben war etwas Gutes, Lustiges, das
das Leben bereichern konnte.
    Aber es war etwas anderes als
Liebe. Und die Liebe ist jeden Preis wert und verdient nicht, gegen etwas
anderes eingetauscht zu werden.
     
    E r hielt am
Eingang der Schlucht inne und schaute in das vor ihm liegende Tal. Der Horizont
begann, sich rot zu färben. Er erlebte zum ersten Mal den Sonnenaufgang in der
Wüste. Selbst wenn sie unter freiem Himmel geschlafen hatten, war er immer
erst aufgewacht, wenn die Sonne schon hoch am Himmel stand.
    >Was für ein großartiges
Schauspiel!<, dachte er. Die Gipfel der Berge in der Ferne begannen zu
strahlen, und rosa Licht überflutete das Tal, die Steine, die kleinen Pflanzen,
die fast ohne Wasser der Wüste trotzten. Er betrachtete die Szenerie.
    Ihm fiel das Buch ein, das er vor
kurzem in Brasilien veröffentlicht hatte, in dem der Hirte Santiago in einem bestimmten
Augenblick auf einen Berg steigt und die Wüste betrachtet. Einmal abgesehen
davon, dass er sich nicht auf dem Gipfel eines Berges befand, überraschte ihn,
wie ähnlich er das alles vor acht Monaten beschrieben hatte. Und erst jetzt
fiel ihm der Name der Stadt in den Vereinigten Staaten ein, in der sie aus dem
Flugzeug gestiegen waren:
    Los Angeles. Was auf
Spanisch »die Engel« hieß.
    Aber jetzt war nicht der
Augenblick, um über die Zeichen am Weg nachzudenken.
    »Dies ist dein Antlitz, mein
Schutzengel«, sagte er laut. »Ich sehe dich. Du hast immer vor mir gestanden,
und ich habe dich nie erkannt. Ich höre deine Stimme jeden Tag deutlicher. Ich
weiß, dass es dich gibt, weil überall auf Erden von dir gesprochen wird.
    Ein Mensch oder eine ganze
Gesellschaft können sich vielleicht irren. Aber alle Gesellschaften, alle
Zivilisationen überall auf diesem Planeten haben immer von Engeln gesprochen.
Heute hören nur die Kinder, die Alten und die Propheten die Engel. Dennoch
werden die Menschen auch in kommenden Jahrhunderten von Engeln sprechen, da es
immer Propheten, Kinder und alte Menschen geben wird.«
    Ein blauer Schmetterling flatterte
vor ihm her. Es war sein Engel, der ihm antwortete.
    Der Schmetterling flog hin und
her. Chris und er hatten verschiedene weiße Schmetterlinge in der Wüste gesehen
- doch dieser hier war blau. Sein Engel war zufrieden.
    »Und ich habe eine Wette
abgeschlossen. Damals in der Nacht, hoch oben auf dem Berg, habe ich um meinen
ganzen Glauben an Gott, mein Leben, meine Arbeit, um J., um alles gewettet, was
ich habe. Ich habe gewettet, dass du dich zeigen würdest, wenn ich die Augen
öffne. Ich habe mein ganzes Leben in eine Waagschale gelegt. Ich habe dich gebeten,
dein Antlitz in die andere zu legen.
    Und als ich die Augen öffnete,
hatte ich die Wüste vor mir. Einen Augenblick lang glaubte ich, verloren zu
haben. Doch dann - ach, wie glücklich war ich da! -, dann hast du gesprochen.«
    Ein feiner Lichtstreifen erschien
am Horizont. Die Sonne ging auf.
    »Erinnerst du dich an das, was du
gesagt hast? >Blicke um dich, und du siehst mein Gesicht. Ich bin der Ort,
an dem du dich gerade befindest. Am Tag wird mein Umhang dich mit den Strahlen
der Sonne bedecken, nachts mit dem Glitzern der Sterne.< Und ich habe deine
Stimme deutlich gehört!
    Und außerdem hast du gesagt:
>Wann immer du mich brauchst!<«
    Sein Herz war voller Freude. Er
würde auf den Sonnenaufgang warten. An diesem Morgen das Antlitz seines Engels
lange betrachten. Dann
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