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Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst
Autoren: Jim Butcher
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außerstande war, ihre Arme und Beine zu spüren. Aber sie war in der Lage gewesen, die Vordkönigin und die fremdartige Gegenwart der Kreatur in ihren Gedanken wahrzunehmen. Einen nach dem anderen war sie im Geiste durchgegangen, während ihre Gedanken im Delirium durcheinandergepurzelt waren.
    Die Königin hatte Invidia angeboten, ihr das Leben zu retten und sie im Austausch gegen ihre Dienste auch künftig am Leben zu erhalten. Die einzige Alternative war der Tod gewesen.
    Obwohl die peinigenden Bewegungen des Parasiten eine Welle der Qual durch ihren Körper branden ließen, ignorierte Invidia sie. In letzter Zeit gab es nicht nur reichlich Schatten, sondern auch reichlich Schmerzen.
    Und eine kleine Stimme flüsterte ihr aus einem dunklen, stillen Winkel ihres Herzens zu, dass sie es nicht besser verdient hatte.
    »Du kommst immer wieder hierher«, sagte eine junge Frau neben ihr.
    Invidia spürte, wie sie vor Überraschung zusammenzuckte und ihr Herz plötzlich zu rasen begann, während der Parasit erschauerte und ihr neuerliche Qualen zufügte. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich auf den Schmerz und ließ ihn ihre Sinne ausfüllen, bis in ihrem Verstand kein Hauch von Furcht mehr übrig war.
    Man ließ sich vor der Vordkönigin niemals Furcht anmerken.
    Invidia drehte sich zu der jungen Frau um und neigte höflich den Kopf. Die Königin sah fast wie eine Aleranerin aus. Sie war auf recht fremdartige Weise hübsch, mit Adlernase und breitem Mund. Sie trug ein schlichtes, zerlumptes Kleid aus grüner Seide, das ihre Schultern unbedeckt ließ und so glatte Muskeln und noch glattere Haut enthüllte. Ihr Haar war lang, fein und weiß und fiel ihr in sanft gewellter Bahn bis auf die Rückseite ihrer Schenkel.
    Nur kleine Einzelheiten verrieten ihre wahre Herkunft. Ihre langen Fingernägel waren schwarzgrüne Krallen, die aus demselben stahlharten Vordchitin bestanden, mit dem ihre Krieger gepanzert waren. Ihre Haut wirkte seltsam starr und schien beinahe das ferne Licht des umliegenden Kroatsch widerzuspiegeln, so dass zart der Verlauf grüner Adern unter ihrer Oberfläche sichtbar wurde.
    Aber es waren ihre Augen, die Invidia Angst machten, sogar noch nach Monaten in ihrer Gesellschaft. Sie waren an den Augenwinkeln leicht nach oben gezogen, wie die der Marat-Barbaren im Nordosten, und völlig schwarz. In ihnen glänzten insektenartig tausend Facettenlinsen und beobachteten die Welt mit ruhiger Ungerührtheit, ohne je zu blinzeln.
    »Ja, das tue ich wohl«, antwortete Invidia ihr. »Ich habe dir ja gesagt, dass dieser Ort ein Risiko darstellt. Doch du scheinst nicht auf meinen Rat hören zu wollen. Also habe ich es auf mich genommen, ihn zu beobachten und sicherzustellen, dass er nicht irgendwelchen Eindringlingen als Versteck oder Hauptquartier dient.«
    Die Königin zuckte unbesorgt mit einer Schulter. Die Bewegung war geschmeidig, aber zugleich irgendwie unbeholfen – es war eine Geste, die sie imitierte, aber eindeutig nicht verstand. »Dieser Ort wird permanent bewacht. Niemand könnte unbemerkt hier eindringen.«
    »Das haben schon andere gesagt und sich geirrt«, sagte Invidia warnend. »Bedenke doch, was Gräfin Amara und Graf Bernard uns im letzten Winter angetan haben.«
    »Das Gebiet war noch nicht gesichert«, antwortete die Königin ruhig. »Dieses hier ist es.« Sie richtete den Blick auf die kleinen Häuser und legte den Kopf schief. »Sie treffen sich jeden Abend zur selben Zeit, um zu essen.«
    »Ja«, sagte Invidia. Die aleranischen Bauern, die auf dem kleinen Wehrhof in zusammengestückelten Haushalten wohnten, bestellten die Felder und gingen ihrem Tagewerk nach, als wären sie nicht die Einzigen ihrer Art, die im Umkreis von einem strammen Monatsmarsch lebten.
    Sie hatten keine andere Wahl, als auf den Äckern zu arbeiten. Die Vordkönigin hatte ihnen gesagt, dass sie sterben würden, wenn sie es nicht taten.
    Invidia seufzte und fuhr fort: »Ja, zur selben Zeit. Man nennt das ›Abendessen‹ oder ›Abendbrot‹.«
    »Was von beidem?«, fragte die Königin.
    »Im Allgemeinen werden die Ausdrücke austauschbar verwendet.«
    Die Vordkönigin runzelte die Stirn. »Warum?«
    Invidia schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass unsere Vorfahren eine ganze Anzahl unterschiedlicher Sprachen gesprochen haben und …«
    Die Vordkönigin unterbrach sie. »Nein«, sagte sie. »Warum essen sie zusammen?« Sie richtete den Blick wieder auf die kleinen Häuser. »Es
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