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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
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    »Was haben sie denn noch gegen dich in der Hand?«, frage ich sanft. »Sie werden dich töten. Schlimmer noch, sie werden deine Gabe ausnutzen.«
    Sie zeigt ein freudloses, bitteres Lächeln und verzieht die welken Lippen zu einer finsteren Grimasse. »Sie haben nichts in der Hand.«
    »Das weiß ich«, sage ich. »Und du?«
    In ihrem steinernen Blick lodert ein Feuer auf, und für einen Moment verliert sie ihre eisige Gefasstheit. »Du bringst uns in eine unmögliche Lage.«
    »Nicht unmöglich«, sage ich leichthin. »Nur heikel. Für eine Stickmeisterin ist nichts unmöglich.«
    »Außer der Wirklichkeit«, ruft sie mir ins Gedächtnis.
    »Außer der Wirklichkeit«, wiederhole ich. Zwar bin ich mir nicht sicher, was sie damit meint, aber ich weiß, dass es wichtig ist.
    Und dann trifft es mich wie ein Schlag. Wir können die Wirklichkeit nicht beherrschen, weil wir in den Grenzen von Arras arbeiten. Unsere Fähigkeit besteht im Dehnen und Vertauschen. Außerhalb von Arras sind wir nichts. Wir schaffen lediglich Illusionen, und die sprühende, offene Leere, die sich uns offenbart, ist bloß ein weiterer Teil dieser Illusion. Darunter liegt etwas anderes, eine Wirklichkeit, die nur ich entdecken kann. Ein Ort, an den zu folgen Cormac nicht wagen würde. Die Erde.
    Aber ich kann Jost nicht zurücklassen. Oder Loricel. Oder meine Schwester. Denn die bittere Wahrheit ist, dass ich zwar überzeugt bin, dass ich einen Weg hinaus finden werde, aber ich habe keine Ahnung, ob ich auch wieder zurückkehren kann. Alle Blicke ruhen auf mir, alle warten auf meine Antwort.
    »Genug davon«, sagt Cormac. »Schluss mit diesem Theater. Adelice, ob es dir passt oder nicht, du bist für jedes Leben in Arras verantwortlich. Hör auf, dich wie ein ungezogenes Kind zu benehmen, und repariere das wieder.« Er ist erstaunlich gelassen, hält jedoch weiter sicheren Abstand zu dem Abgrund.
    »Genau das ist der Punkt«, erwidere ich. »Sie behandeln uns wie Kinder. Aber ich kenne die Wahrheit.«
    »Wir brauchen sie nicht mehr, Cormac«, ruft Maela aus. »Wir transplantieren einfach Loricels Fähigkeiten, und unter uns Webjungfern sind welche, die viel bessere Ehefrauen abgeben würden.«
    »Wie du zum Beispiel?«, fragt er verächtlich.
    Die schroffe Antwort bringt sie zum Schweigen. Ich persönlich denke ja, dass selbst Maela das nicht verdient hat, aber immerhin bekomme ich sie mit ein paar Gemeinheiten dorthin, wo ich sie haben will.
    »Maela«, sage ich sachte, um den Köder auszulegen. »Kannst du überhaupt etwas anderes, als ein Stück Zeit zu verstümmeln?«
    Sie blitzt mich an, noch immer gegen die Wand gedrückt. Erik neben ihr kocht vor Wut, hält aber den Mund. Ich muss sie dazu bringen, sich zu bewegen, wenn ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will.
    »Erinnerst du dich an die Nacht im Innenhof, als du mich und Erik erwischt hast?«, reize ich sie.
    Bei der Erinnerung wird sie stocksteif. Und ich verlasse mich darauf, dass sich ihre extremen Stimmungsschwankungen ausnahmsweise zu meinen Gunsten auswirken werden.
    »Ach, komm schon. Du kannst austeilen, aber nicht einstecken? Du weißt doch, dass ich ihn zuvor keines Gedankens gewürdigt habe. Er hat sich an mich rangemacht.« Ich sehe, dass Eriks Blick von Maela zu mir huscht. Von nun an versuche ich, den Blick nicht mehr von Maela abzuwenden, denn ich weiß, dass diese Eröffnung für Jost schmerzhaft werden wird. Aber nicht so schmerzhaft wie jene, die ich gerade erleben musste. Denn ich weiß nun, wieso Erik zwischen den Fronten dieses Streits gefangen ist. Nicht wegen mir. Lange schon hat die Wahrheit versucht, sich in meinem Kopf bemerkbar zu machen, doch ich wollte sie nicht erkennen. Nun ist sie so offensichtlich, dass ich kaum glauben kann, dass nur ich sie sehe. Die Augen allein hätten schon ausreichen müssen, doch es gibt noch weitere Hinweise. Beide stammen aus einem Fischerdorf. Der verletzte Ausdruck in ihren Gesichtern, wenn sie einander begegnen. Die Abscheu, die sie füreinander zu empfinden scheinen.
    »Nun, ich bin froh, dass Erik mich geküsst hat«, sage ich und bemühe mich um einen sicheren Stand. »Denn so hatte ich einen Vergleich zu Josts Küssen.«
    Ich riskiere einen Blick zu Jost und Erik. Josts Erstaunen weicht fassungsloser Enttäuschung, doch Erik beobachtet mich aufmerksam und versucht zu begreifen, worauf ich hinauswill.
    »Bis jetzt ist mir gar nicht aufgefallen, wie sehr eure Augen einander ähneln«,
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