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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor
Autoren: Jules Verne
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führte.
    »Ach, wie das Schiff schon schaukelt!« hatte sich Aga-
    thokles’ Mutter auszurufen nicht enthalten können.
    Der Vater hütete sich, ihr zu antworten. Er beschäftigte
    sich ausschließlich mit der Auswahl einer Kabine für drei
    Personen und mit dem Belegen von drei Plätzen im Spei-
    sesalon in der Nähe des Anrichtezimmers. Hier kamen die
    Speisen zuerst auf die Tafel und man hatte die Auswahl un-
    ter den besten Stücken und war nicht auf das angewiesen,
    was die anderen übrig gelassen hatten.
    Die Kabine, der er den Vorzug gab, trug die Nummer
    19. An Steuerbord gelegen, befand sie sich ziemlich mitt-
    schiffs, wo das Stampfen des Fahrzeugs am geringsten ist.
    Vor dem Rollen und Schlingern konnte man sich freilich
    nirgends schützen. Am Bug wie am Heck sind diese Bewe-
    — 17 —
    gungen dieselben und gleichermaßen unangenehm für die
    Passagiere, die den Reiz einer wiegenden Bewegung nicht
    zu schätzen wissen.
    Nach Inbesitznahme der Kabine und Ablegung des
    Handgepäcks, begab sich Herr Désirandelle, der die Ver-
    packung ihrer Kolli seiner Gattin überließ, mit Agathokles
    nach dem Speisesalon. Da sich das Anrichtezimmer an der
    Backbordseite befand, wandte er sich eben dahin, um sich
    am Ende der Tafel drei Plätze, die er beanspruchte, durch
    Belegung mit seiner Karte zu sichern.
    Ein Reisender saß schon an diesem Ende, während sich
    der Oberkellner nebst seinen Leuten damit beschäftigte, die
    einzelnen Kuverts für die Mittagstafel um 5 Uhr in Ord-
    nung zu bringen.
    Der erwähnte Reisende hatte also schon von einem sol-
    chen Platz Besitz genommen und seine Karte zwischen die
    Falten der Serviette gesteckt, die auf einem mit dem Mo-
    nogramm der ›Argèlès‹ geschmückten Teller stand. Ohne
    Zweifel wollte er, in der Befürchtung, daß ihm ein Eindring-
    ling diesen Platz abspenstig machen könnte, bis zur Abfahrt
    des Dampfers vor seinem Kuvert gleich sitzen bleiben.
    Herr Désirandelle warf ihm einen flüchtigen Blick zu
    und erhielt einen solchen zurück. Dabei hatte er aber die
    beiden Namen »Eustache Oriental« auf der Karte des Tisch-
    genossen lesen können, dann belegte er dem Mann gegen-
    über seine drei Plätze und verließ den Speisesalon, um nach
    dem Oberdeck zurückzukehren.
    An der Abfahrtszeit fehlten jetzt nur noch 12 Minuten,
    — 18 —
    und die auf dem Kai von Frontignan etwa verspäteten Pas-
    sagiere mußten nun bald das letzte Signal der Dampfpfeife
    zu hören bekommen. Kapitän Bugarach überschritt den
    Landgang. Vom Vorderkastell aus überwachte der Ober-
    steuermann der ›Argèlès‹ die Lösung der Haltetaue.
    Herr Désirandelle wurde immer unruhiger und rief wie-
    derholt mit ungeduldiger Stimme:
    »Wenn er nun gar nicht käme! . . . Wo mag er stecken?
    . . . Was macht er denn? . . . Er muß doch wissen, daß es jetzt
    3 Uhr ist! . . . Er wird den Dampfer verfehlen! . . . Agatho-
    kles?«
    »Was denn?« fragte näselnd der jüngere Désirandelle,
    ohne daß er zu begreifen schien, was seinen Vater in so au-
    ßergewöhnliche Aufregung versetzte.
    »Du siehst Herrn Dardentor nicht?«
    »Ist er denn nicht gekommen?«
    »Nein, bis jetzt noch nicht . . . Woran denkst du den?«
    Agathokles dachte an nichts.
    Herr Désirandelle lief auf dem Oberdeck von einem
    Ende zum anderen, richtete einmal den Blick nach dem Kai
    von Frontignan und dann wieder nach der gegenüberlie-
    genden Hafenmauer des alten Bassins. Der Ausgebliebene
    konnte nämlich auch auf dieser Seite auftauchen, und ein
    Boot hätte ihn mit wenigen Ruderschlägen an die Seite des
    Dampfers befördert.
    Kein Mensch war da zu sehen.
    »Was wird Frau Désirandelle sagen!« rief Herr Désiran-
    delle in heller Verzweiflung. »Sie sorgt sich so um ihn ab!
    — 19 —
    . . . Ich kann es ihr doch nicht verhehlen! Wenn dieser Teu-
    fel von Dardentor nicht binnen 5 Minuten hier ist, was soll
    denn dann werden?«
    Marcel Lornans und Jean Taconnat belustigten sich über
    die Verlegenheit des Männchens. Jedenfalls wurden die
    Sorrtaue der ›Argèlès‹ nun sehr bald losgeworfen, wenn der
    Kapitän nicht näher unterrichtet wurde und wenn man an-
    nahm, daß dieser keine hergebrachte Gnadenviertelstunde
    bewilligte – was übrigens kaum geschieht, wenn es sich um
    Personenschiffe handelt –, dann würde man ohne Herrn
    Dardentor abfahren.
    Jetzt zitterten und dröhnten die Kessel schon unter dem
    Hochdruck des Dampfs und aus dem Abblaserohr schossen
    weiße Wolken hervor; der Dampfer stieß sich
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