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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor
Autoren: Jules Verne
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würde es nicht das erste Mal sein.«
    »Warum hat er das Hotel dann schon vor uns verlas-
    sen?«
    »Er wollte nach Pigorin, einen ihm befreundeten Bött-
    cher besuchen, und hat versprochen, mit uns auf dem
    Dampfer zusammenzutreffen. Sobald er kommt, wird er an
    Bord gehen, und ich möchte wetten, daß er nicht auf dem
    Molo bleibt, um die Zeit zu vertrödeln.«
    »Er ist aber noch gar nicht da . . .«
    »Das wird nicht lange dauern«, erwiderte Herr Désiran-
    delle, der sich festen Schritts dem Landgang näherte.
    — 14 —
    »Was denkst du darüber, Agathokles?« fragte Frau Dési-
    randelle, indem sie sich an ihren Sohn wandte.
    Agathokles dachte gar nichts, einfach weil er überhaupt
    niemals über etwas nachdachte. Warum hätte der Tropf sich
    für dieses See- und Handelsleben, für den Transport von
    Waren, die Einschiffung von Reisenden, für den Lärm an
    Bord, der der Abfahrt eines Dampfers immer vorausgeht,
    auch interessieren sollen? Eine Seereise zu unternehmen,
    um ein ihm bisher unbekanntes Land kennenzulernen, er-
    weckte in ihm nicht die freudige Neugier, die natürliche
    Erregung, die bei Leuten seines Alters sonst zutage zu tre-
    ten pflegt. Allem gleichgültig, ja fremd gegenüberstehend,
    apathisch, ohne Fantasie oder Geist, ließ er den Dingen
    einfach ihren Lauf. Als sein Vater ihm gesagt hatte: »Wir
    werden nach Oran reisen«, hatte er mit einem »Ah!« geant-
    wortet; auf dieselbe Mitteilung seiner Mutter stieß er das-
    selbe »Ah!« hervor, und als beide ihm sagten: »Wir werden
    dort einige Wochen bei Madame Elissane und ihrer Tochter
    wohnen, die du bei ihrem letzten Aufenthalt in Perpignan
    kennengelernt hast«, antwortete er wiederum: »Ah!« – Die-
    ses Ausrufwort dient gewöhnlich als Ausdruck der Freude
    oder des Schmerzes, der Bewunderung oder des Mitleids.
    Was es im Mund des Agathokles bedeutete, ist schwer zu
    sagen, wenn nicht etwa ein Nichts in der Dummheit oder
    eine Dummheit im Nichts.
    Als seine Mutter ihn aber fragte, was er darüber denke,
    so zeitig an Bord zu gehen, oder noch auf dem Kai zu blei-
    ben, folgte er seinem Vater, als er diesen den Landgang be-
    — 15 —
    treten sah, einfach nach, und Frau Désirandelle mußte sich
    beiden wohl oder übel anschließen.
    Die beiden jungen Leute hatten auf dem Oberdeck des
    Dampfers bereits Platz genommen. Die lebhafte Bewegung
    ringsumher amüsierte sie. Das Erscheinen des einen oder
    andern Passagiers regte sie, je nach dem Typus des Indi-
    viduums, zu dem oder jenem Gedanken an. Die Zeit der
    Abfahrt kam heran. Die Dampfpfeife zerriß die Luft. Dich-
    ter wirbelte der Rauch aus dem dicken Schornstein nah am
    Großmast, dessen Segelwerk von seinen gelblichen Hüllen
    bedeckt war.
    Die Passagiere der ›Argèlès‹ waren zum größten Teil
    Franzosen, die sich nach Algerien begaben, Soldaten auf
    dem Rückweg zu ihren Regimentern oder Bataillonen, ei-
    nige Araber und auch einzelne Marokkaner mit Oran als
    Ziel ihrer Reise. Die letzteren wendeten sich gleich nach
    dem Betreten des Decks dem für die 2. Klasse bestimmten
    Teil des Schiffes zu. Auf dem Hinterteil vereinigten sich die
    Passagiere 1. Klasse, denen das Oberdeck, der allgemeine
    und der Spielsalon darunter, letztere mit Deckfenstern, die
    ihnen genügendes Licht zuführten, allein zugänglich waren.
    Die an den Seiten gelegenen Kabinen wurden durch Luken
    mit Linsengläsern erhellt. Auf der ›Argèlès‹ herrschte offen-
    bar weder der Luxus noch die Bequemlichkeit wie auf den
    Fahrzeugen der Transatlantischen Gesellschaft oder der
    Messageries maritimes. Die zwischen Marseille und Alge-
    rien verkehrenden Dampfer haben größeren Tonnengehalt,
    schnelleren Gang und im allgemeinen bessere Einrichtung.
    — 16 —
    Bei einer so kurzen Überfahrt wie hier, braucht man aber
    nicht zu wählerisch zu sein. Den Schiffen zwischen Cette
    und Oran, die geringere Fahr- und Frachtpreise fordern,
    fehlte es denn auch niemals weder an Passagieren noch an
    Frachtgütern.
    Wenn sich heute gegen 60 Passagiere auf dem Vorder-
    teil befanden, schien es, daß die des Hecks die Zahl von 20
    bis 30 nicht überstiegen. Einer der Matrosen läutete jetzt
    um 2 Uhr 30 Minuten. In einer halben Stunde sollte die
    ›Argèlès‹ ihre Sorrtaue einziehen, und bei der Abfahrt von
    Dampfern gibt es meist nicht viele Nachzügler.
    Von ihrer Einschiffung an hatte sich die Familie Dési-
    randelle einen Platz nah der doppelflügligen Tür gesucht,
    die nach dem Speisesalon
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