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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor
Autoren: Jules Verne
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    zieht . . .«
    »Halt! Einen Damm vor diese Hochflut von Metaphern,
    Jean«, rief Marcel Lornans, »oder du machst mich noch see-
    krank!«
    — 28 —
    »Es ist die geheimnisvolle Dekoration, vor der der Vor-
    hang allmählich in die Höhe geht . . .«
    »Genug . . . genug! . . . Geh nur nicht gleich von vornher-
    ein so ins Zeug! . . . Galoppier nicht auf dem Steckenpferd
    der Chimären! . . . Reit nicht gleich mit verhängtem Zügel
    davon!«
    »Ah . . . sieh einmal an! . . . Jetzt scheint’s mir, verirrst du
    dich ins Reich der Metaphern!«
    »Ja, du hast recht, Jean! Nein, wir wollen nüchtern spre-
    chen und die Sachen sehen, wie sie sind. Was wir vorhaben,
    liegt ja ziemlich klar vor Augen. Wir fahren, jeder mit 1000
    Francs in der Tasche, jetzt von Cette nach Oran, um dort bei
    den 7. Afrikanischen Jägern einzutreten. Das ist sehr klug
    und weise, sehr einfach, und von dem Unbekannten mit sei-
    nen fantastischen Perspektiven ist darin keine Spur.«
    »Ja, wer weiß?« antwortete Jean Taconnat, indem er mit
    dem Zeigefinger ein Fragezeichen in die Luft schrieb.
    Dieses Zwiegespräch, das an gewissen unterscheiden-
    den Zügen den Charakter der zwei jungen Leute erkennen
    läßt, wurde auf dem hinteren Teil des Oberdecks geführt.
    Von der Bank an dem mit Netzwerk ausgefüllten Geländer
    wurde der Ausblick nach vorn nur durch die Kommando-
    brücke unterbrochen, die zwischen Groß- und Fockmast
    des Dampfers emporragte.
    Etwa zwanzig Passagiere saßen auf den Seitenbänken
    oder auf Klappstühlen, die ein an spinnwebförmig ver-
    zweigtem Hißtau hängendes Zeltdach vor den Strahlen der
    Sonne schützte.

    — 29 —
    — 30 —
    Zu diesen Passagieren gehörten auch Désirandelle und
    sein Sohn. Der erstere lief fieberhaft auf dem Deck hin und
    her und hielt die Arme einmal auf dem Rücken und dann
    wieder zum Himmel empor. Hierauf lehnte er sich über das
    Geländer und starrte in das Kielwasser der ›Argèlès‹, als ob
    der zur Robbe verwandelte Herr Dardentor mitten in dem
    dahinwirbelnden Schaumstrom auftauchen sollte.
    Agathokles verharrte in der Bewahrung vollständigster
    Gleichgültigkeit gegenüber der Fehlrechnung, die seinen
    Eltern soviel Unruhe und Ärger bereitete.
    Von den übrigen Passagieren spazierten die einen, die
    gegen die übrigens nur schwachen Bewegungen des Schiffes
    unempfindlicher waren, hin und her, plauderten, rauchten
    und ließen ein Fernrohr vom Dampfer von Hand zu Hand
    gehen, um die zurückweichende Küste zu betrachten, an der
    nach Westen hin schon einzelne stolze Berghäupter der Py-
    renäen auftauchten; die anderen, die vom Schwanken der
    ›Argèlès‹ mehr belästigt wurden, saßen still auf den Rohr-
    lehnstühlen in der Ecke, der sie für die ganze Überfahrt-
    zeit den Vorzug gaben. Einzelne in Decken eingehüllte Da-
    men, die der unvermeidlichen Unbehaglichkeit der Fahrt
    ergeben, wenn auch mit dem Ausdruck völliger Niederge-
    schlagenheit entgegensahen, hatten sich unter dem Schutz
    der Deckbauten mehr nach der Mitte zu niedergelassen, wo
    man das Stampfen und Rollen des Schiffes am wenigsten
    spürt . . . Gruppen von Müttern mit ihren Kindern, die ein
    recht hübsches Bild abgaben, doch gewiß bedauerten, nicht
    schon 50 Stunden älter zu sein.
    — 31 —
    Zwischen den weiblichen Reisenden bewegten sich die
    Stewards des Dampfers hin und her; zwischen den Herren
    mehrere Schiffsjungen, jedes Winkes gewärtig, um her-
    beizueilen und ihre unentbehrlichen und oft erwünschten
    Dienste anzubieten.
    Der Schiffsarzt der ›Argèlès‹ stellte sich schon immer die
    gewohnte Frage, wie viele von den Passagieren wohl an der
    Tafel im Speisesalon Platz nehmen würden, wenn nach etwa
    2 Stunden die Glocke zum Essen rief. Er täuschte sich auch
    nicht in der Annahme, daß wie gewöhnlich 60 bis 70 Pro-
    zent davon bei der ersten Mahlzeit fehlen würden.
    Es war das ein kugelrundes, lustiges, schwatzhaftes
    Männchen von unerschütterlicher guter Laune und trotz
    seiner 50 Jahre von überraschender Lebhaftigkeit. Er aß
    und trank tüchtig und besaß eine unglaubliche Sammlung
    von Rezepten und Verordnungen gegen die Seekrankheit,
    an die er selbst nicht im geringsten glaubte. Er hatte aber
    so viele tröstende Worte zur Hand und redete seiner Passa-
    gierklientel so überzeugend zu, daß die unglücklichen Op-
    fer Neptuns zwischen allem Jammer lächeln lernten.
    »Oh, es wird nicht so schlimm werden«, pflegte er zu
    sagen. »Achten Sie nur hübsch
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