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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Autoren: Unbekannter Autor
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gehe sofort zu ihm. Danke, Karim.«
    In Simla geschah gar nichts, ohne dass Sir George Jardine nicht davon wusste, häufig aus dem einfachen Grund, dass er das Geschehen initiiert hatte. Joe vermutete, dass er nun genauestens, wenn auch mit nur beiläufig gezeigtem Interesse, über den Inhalt von Edgars Telegramm und seine unmittelbaren Reisepläne ausgefragt würde. Joe zweifelte nicht im Geringsten daran, dass Edgar im Staate Ranipur Augen und Ohren von Sir George verkörperte, ebenso wie in vielen noch dunkleren Ecken des Empire.
    Joe öffnete schwungvoll die schwere Tür zur Waffenkammer und trat ein. Wie immer genoss er den Geruch nach Leder, Waffenöl und Trichinopol-Zigarren. Sir George war an einem Gewehr zugange. Der mit Seide ausgeschlagene Gewehrkoffer lag offen auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes. Joe kannte die Waffe. Der Deckel des Koffers aus Eiche und Leder trug ein Wappen und in blumigen Buchstaben die Inschrift Holland & Holland. Büchsen-und Gewehrmanufaktur. Bruton Street, London.
    Sir George blickte auf und begrüßte Joe mit einem herzlichen Bellen. »Da sind Sie ja, mein Junge! Freut mich, dass diese Hallodris Sie nicht den ganzen Nachmittag mit Beschlag belegten. Wir haben nicht viel Zeit. Erinnern Sie mich, wann Sie abreisen ... Dienstag, nicht wahr? Dann haben wir vier Tage für die Vorbereitung.«
    Joe hatte zu seinem Vergnügen auf dem Deckblatt eines ausgeliehenen Buches entdeckt, dass das lateinische Motto der Familie Jardine cave adsum lautete. Die Römer pflegten keine Zeichensetzung, hätten sie es getan, sie hätten zwei Ausrufezeichen setzen müssen, um den Gedanken adäquat wiederzugeben, fand Joe. Dem selbstbewussten »Hier bin ich!« ging immer die Warnung »Vorsicht!« voraus. Joe hielt es für nützlich, im Umgang mit Sir George diese Warnung der schottischen Highlander stets im Hinterkopf zu behalten.
    »George! Wie zur Hölle .«
    »Edgar lehnt nie eine Einladung nach Ranipur ab, und wenn es etwas gibt, das Edgar genießt, dann das, jemand anderen in seine dunklen Machenschaften hineinzuziehen. Er musste Sie einfach fragen, ob Sie ihn begleiten, und ich ging davon aus, dass Sie dem nicht widerstehen könnten. Natürlich dürfen Sie gehen. Ich kläre das mit Sir Nevil in London. Er ist sich Ihrer Leistungen in Indien bewusst. Ich habe ihn umfassend informiert. Habe Sie in den Kriegsberichten sozusagen lobend erwähnt. Genauer gesagt, Joe ...« Sir George richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Lauf des Gewehrs und rieb ihn nachdenklich mit einem Tuch. ». soll ich Ihnen ausrichten, dass er einverstanden ist, Ihren Aufenthalt noch etwas zu verlängern. Es reicht ihm völlig, wenn Sie ein Schiff besteigen, das Sie bis September wieder an Ihren Schreibtisch bringt. Hören Sie, warum nehmen Sie sich nicht ein Tuch und gehen mir zur Hand?«
    Joe blieb stehen, verdaute stumm die plötzliche Neuformung seiner Karriere. Ihm widerstrebte die Lockerheit, mit der diese zwei alten Haudegen, die sich in ihrem autokratischen Stil so ähnlich waren, ihn wie eine Schachfigur hin und her bewegten. Ihm kam der Gedanke, dass Sir George möglicherweise mehr als nur höfliches Interesse an Joes anstehender Reise hegte.
    »Soll ich in Ranipur jemand verhaften, wenn ich schon dort bin?«
    »Ehrlich gesagt, mir fallen mindestens ein halbes Dutzend Leute ein, die hinter Gitter besser aufgehoben wären. Aber im Ernst, Joe, wir haben dort ein Problem. Ein Problem mit der Thronfolge.«
    Die Tür öffnete sich, und Karim trat mit einem Tablett ein, auf dem sich Whisky, Sherry und Gläser befanden.
    »Sherry, Joe?« George goss Joe ein Glas Sherry ein und für sich selbst einen großen Whisky-Soda. »Die Situation ist recht unsicher. Ich hätte gern einen Mann vor Ort, der ein Auge auf die Entwicklungen hat.«
    »Sie haben doch Edgar, der Ihnen Bericht erstatten kann, falls es ein Problem gibt.«
    George nippte bedächtig an seinem Whisky. »Edgar könnte Teil des Problems sein. Er ist diesem alten Gauner, dem Maharadscha, sehr verbunden. Seelenverwandte, könnte man sagen. Mir wäre es lieb, wenn ein scharfes und unvoreingenommenes Augenpaar unsere Interessen wahren würde.«
    Joe fand das erwähnte Tuch und nahm ehrfürchtig das Gewehr aus der Hand von Sir George entgegen. Er strich über den eingeölten Griff aus fein gemasertem, französischem Walnussholz und bewunderte den kunstfertig gravierten Stahl des Laufes. Automatisch prüfte er das Gleichgewicht der Waffe, dann hielt er sie an
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