Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
seinen Bericht.«
    Etwas im Tonfall von Sir George versetzte Joe in Alarmzustand. Er kannte ihn mittlerweile gut genug, um auch seine unausgesprochenen Gedanken zu erraten. Es war deutlich an der Zeit, dass er Indien den Rücken kehrte! Beinahe grollend folgte er den Gedankengängen von Sir George.
    »Können Sie Vyvyan wirklich vertrauen? Klingt, als ob Sie keine andere Wahl hätten, als ihm zu vertrauen, so wie es in Ranipur gerade läuft. Eine Regentschaft ist kein Kinderspiel. Das erfordert einen fähigen und loyalen Diener des Empire, jemand, der bereit ist, über längere Zeit vollen Einsatz zu bringen ... Kann Vyvyan das bieten, Sir George?«
    »Er ist höchst qualifiziert. Talentiert . gewissenhaft . ehrgeizig. Aber wissen Sie, ich bin immer froh, wenn ein unvoreingenommener Beobachter die Lage auskundschaftet. Lassen Sie mich wissen, was Sie von ihm halten, Joe. Da ist noch ein Grund, warum ich Sie gern dort unten hätte, mein Junge. Finden Sie heraus, wenn Sie können, was in Ranipur wirklich vor sich geht. Betrachten wir es als spielerische Jagd. Wir sind im Dschungel, unsichtbare Gefahren lauern hinter jedem Busch, und irgendeine hilfreiche Kreatur des Waldes stößt einen Warn-schrei aus. Was ist zu tun? Nun, man interpretiert den Ruf und prüft, ob die Waffen geladen sind. Dann legt man sich auf die Lauer, hält Ausschau und wartet, was aus dem Gestrüpp herauskriecht. Kommen Sie, lassen Sie uns zu Mittag essen, und dann schießen wir eine Runde.«
    Er drehte sich zu Joe und sah ihn fest an. »Mein Junge, es gibt Menschenfresser in Ranipur, zweifellos welche mit Streifen und vier Beinen, aber sehr gut möglich, dass auch andere auf zwei Beinen durch die Flure des Palastes schleichen. Seien Sie vorsichtig, Joe!«
Kapitel 4
    Joe genoss die Reise erster Klasse mit der indischen Bahn sehr. Ihm sagte die bequeme, schwarze Lederpolsterung zu, ihm gefiel der Eisblock, der sich eine Zinkwanne mit einem Dutzend Flaschen India Pale Ale teilte, stark und malzig, und er sah zu, wie sich ein Etikett nach dem anderen im Schmelzwasser ablöste. Mit halbem Ohr lauschte er nebenbei Edgars Anekdoten, einfach nur froh, Simla entflohen zu sein.
    Erst am späten Nachmittag erreichten sie den Gleisknotenpunkt, an dem sie in die Privatbahn nach Ranipur umsteigen mussten. »Verabschieden Sie sich von der Bequemlichkeit«, meinte Edgar. »Von jetzt an müssen wir uns in beträchtlicher Enge zusammenquetschen, umgangssprachlich auch als Hitz-schlagexpress bekannt. Ich erwähne das Thema Udai gegenüber immer wieder, aber er selbst reist niemals mit dem Zug und weiß daher nicht, wie sehr der Rest der Welt zu leiden hat. Man sollte doch annehmen, dass einige der feinen Pinkel, die ab und an die Schmalspurbahn nützen, ihn darauf ansprechen würden.« Edgar erhob sich, knöpfte das Jackett zu und versenkte seine Zigarre in einem tiefen Aschenbecher. Joe gesellte sich zu ihm und sah aus dem Fenster.
    »Siehe, der mächtige Staat Ranipur!«
    »Mächtig? Würden Sie wirklich von mächtig sprechen?«, fragte Joe.
    »Tja, alles ist relativ, oder nicht? Manche würden den Staat wohlhabend, erfolgreich und sorgenfrei nennen.«
    »Aber hat er nicht eine blutbefleckte Vergangenheit?«
    »In der Tat. Und möglicherweise auch eine blutbefleckte Zukunft.«
    Joe sah ihn wachsam an. »Sie klingen recht geheimnisvoll. Höre ich da die Stimmen der Ahnen, die Krieg prophezeien?«
    Über Edgars rotbackiges Gesicht huschte ein ungewohnter Ausdruck von Unsicherheit. Er nahm sich Zeit, bevor er antwortete. »Nichts Konkretes, aber lassen Sie mich Ihre Frage erst beantworten, wenn ich herausgefunden habe, warum Udai mich tatsächlich zu sich bestellt hat. Verschlagener, alter Gauner, der er ist.«
    Sie traten hinaus in die Extreme eines indischen Sommertages.
    »Hitzschlagexpress!«, keuchte Joe. »Jetzt verstehe ich, was Sie meinen!« Auf einem etwas entfernt liegenden Gleis wartete ein kleiner Zug auf sie, pfeifend und dampfend.
    »Es dauert nur eine Stunde«, tröstete Edgar. »Wir werden es höchstwahrscheinlich überleben. Das tun die meisten Menschen.«
    Doch sie mussten sich dieser Erfahrung nicht unterziehen. Als sie über den Bahnhofsvorplatz gingen, näherte sich ihnen ein großer, weißer Wagen in hoher Geschwindigkeit, wobei er riesige Staubwolken aufwirbelte.
    »Ha! «, rief Edgar zufrieden. »Eine große Ehre! Sie haben den Rolls geschickt! Ich frage mich, ob er für Sie oder mich ist?«
    »Für mich kann er nicht sein«, meinte Joe. »Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher