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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac
Autoren: Jules Verne
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milliardenweise herstellen läßt.
    Der Zug rollt weiter. Wir haben Elisabethpol hinter uns gelassen. Was hab’ ich nun von dieser hübschen Stadt mit zwanzigtausend Einwohnern, die sich hundertsechzig Kilometer von Tiflis am Gandja-tchaï, einem Arme des Kura, erhebt, eigentlich gesehen? Und wie genau hatte ich sie schon vorher studiert! Nichts von ihren unter üppigem Grün versteckten Backsteinbauten, nichts von ihren merkwürdigen Ruinen, nichts von der prächtigen Moschee, die aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts herrührt, und nicht das Geringste von ihrem Maidan-Platze. Von den herrlichen Platanen, die von Krähen und Ameisen so besucht sind, und die selbst bei so großer Sonnenhitze hier noch eine erträgliche Temperatur sichern, hab’ ich kaum die höchsten Zweige bemerkt, auf denen ein Lichtschein zittert. Und an den Ufern des Flusses, der mit silbernen murmelnden Wellen längs der Hauptstraße hinströmt, kaum einige Gartenhäuschen, die kleinen zinnenbekrönten Festungen gleichen.
     

    Unser der Gesellschaft »Kaukasus und Merkur« gehöriger Dampfer heißt »Astara«. (S. 34.)
     
    Was mir in Erinnerung geblieben, ist nur eine unbestimmte Silhouette, die ich zwischen den Rauchwolken, die unsere Locomotive auspustet, im Fluge aufgefangen habe. Daß jene Wohnstätten alle wie zur Vertheidigung eingerichtet erscheinen, hat seinen Grund darin, daß Elisabethpol ein viel umstrittener Platz und früher oft den Einfällen von Lesghiern aus Chiwa ausgesetzt war, und diese Bergbewohner stammen, wenn man den bestunterrichteten Geschichtsschreibern glauben darf, in gerader Linie von den Horden Attila’s ab.
    Jetzt war es ziemlich Mitternacht. Die Ermüdung lud mich zum Schlummer ein, und doch wollt’ ich als guter Reporter nur mit einem Auge und mit einem Ohr schlafen.
    Ich verfiel jedoch in jene Art Schlafsucht, die von den regelmäßigen Erschütterungen eines dahinbrausenden Zuges, von dem gelegentlichen schrillen Pfeifen, von dem knarrenden Reiben der Bremse vor dem Anhalten, von dem betäubenden Gerassel beim Begegnen zweier Züge so leicht erzeugt wird. Dazu kommt das Ausrufen der Stationsnamen während der kurzen Aufenthalte und das Klappen der Coupéthüren, wenn diese sich fast mit metallischem Klang öffnen oder schließen.
    So hör ich Geran, Varvara, Udjarny, Kiurdamir, Klurdane, nachher Karasul, Navagi u.s.w. abrufen …. Ich richte mich auf; da ich aber die Ecke nicht mehr einnahm, aus der man mich so schnöder Weise herausgesetzt hatte, war mir’s unmöglich, durch das Fenster etwas zu sehen.
    Da frag’ ich mich denn, was diese Anhäufung von Decken, Mäntelchen, Röcken und dergleichen, die ich auf meinem usurpierten Platze erblicke, wohl verbergen möge. Wird diese Reisende bis zum Endpunkt der Groß-Transasiatischen Linie meine Gefährtin bleiben? Werde ich vielleicht in den Straßen von Peking mit ihr einen freundschaftlichen Gruß austauschen? Von der Begleiterin gleiten meine Gedanken hinüber zu dem Begleiter, der in seiner Ecke schnarcht, daß ihn die Ventilatoren des Hauses Strong Bulbul and Co. darum beneiden könnten. Ja, und jene ungeheure Werkstatt, was zum Teufel liefert sie denn jetzt eigentlich? Eiserne oder stählerne Brücken, Locomotiven, Panzerplatten, Dampfkessel oder Wasserpumpen für Bergwerke? Nach dem, was ich von meinem Amerikaner flüchtig gehört halte ich sein Haus für einen Rivalen von Creusot, von Cokerill oder Essen, für irgend ein ungeheures industrielles Etablissement der Vereinigten Staaten von Amerika. Er hat sich darüber nicht näher ausgesprochen … denn er scheint mir kein »Grüner« zu sein, wie man bei ihm zu Hause sagt … das heißt, er hat nicht gerade ein sehr naives Aussehen, genannter Fulk Ephrjuell.
    Es scheint mir doch, daß ich allmählich in einen rein bleiernen Schlaf versinken werde. Allen Einflüssen der Außenwelt entrückt, hör’ ich nicht einmal mehr das gewaltige, schnurrende Athmen meines Yankee. Der Zug trifft in der Station Aliat ein, hält hier zehn Minuten an und rollt wieder fort, ohne daß ich etwas davon bemerke. Das bedaure ich; denn Aliat ist ein kleiner Hafenort; ich hätte hier den ersten Ausblick auf das Caspische Meer gehabt und das Land sehen können, das dereinst Peter der Große verwüstete …. Das hätte … wenn ich gleichzeitig nach le Bouillet’s und nach Larousse’s Berichten arbeitete – zwei Columnen historisch-phantastischer Chronik gegeben …. Doch obwohl ich nichts von dem Lande und seiner
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